Hier mein Beitrag aus der Radio Q-Festschrift:
Wie wir ein U-Boot im Aasee versenkten und dabei „Digital ist besser“ sangen.
„Herr Fiene, das wird ganz großartig!“ schwärmte Jan Thies, mein damaliger Technik-Chef-Kollege, während er auf dem blauen IC-Sitz hin und her wippelte. Wir waren auf dem Rückweg nach Münster, hatten uns zuvor in Dortmund und Bochum die Studios der Campusradiokollegen angeschaut. Auch bei 1LIVE und einem Lokalradio schauten wir in die Sendezentren; wir waren voller Ideen. Wir malten auf eine Werbeanzeige in der DB Mobil unsere Pläne für ein digitales Studio.
Offiziell werden wir immer sagen, dass das alte Q-Studio wunderbar war und wir dort noch Radio „von Hand“ gelernt haben, was uns später auch immer wieder zugute kommen werden würde etc. pp. Wir haben uns im Guten getrennt. Aber eigentlich haben wir es zum Schluss gehasst. Wehe, die Münze war weg, mit der wir uns merkten, von welcher CD der nächste Musiktitel gestartet werden musste. Es gab zum Schluss nur noch einen CD-Player mit Faderstart — beim anderen musste man per Knopfdruck nachhelfen UND den Regler hochziehen, um einen Musiktitel zu starten. Permanent herrschte Chaos, da irgendeine Abendsendung oder der Coffeeshop von vor drei Tagen die Musik-CDs im Studio hat liegen lassen. Jingles konnten nur von MD eingespielt werden. Dann gab es noch das U-Boot! Immer, wenn jemand die Lautsprecher an hatte und gleichzeitig das Mikrofon hochzog, gab es eine Rückkoppelung. Die klang wie ein U-Boot, das mal eben im Aasee auftauchte. „Anfääääänger!“ riefen die Kollegen dann immer aus Redaktion und Lounge in Richtung Studio. Doof auch, wenn jemand über das Stromkabel vom Computer mit dem lautesten Lüfter stolperte, denn dann fiel Moebius aus. Ein eigener Rechner, der die Musik für das Rahmenprogramm einspielte. Wenigstens hat man die verzweifelten Schreie der Techniker nicht gehört, denn das alte Studio war schalltot isoliert.
Ich kann heute nicht mehr sagen, wer die Ursprungsidee zu dem Projekt „Digitales Studio“ hatte. Ich glaube, ich tue niemanden unrecht, wenn ich sage: Es war die Idee von allen. Alle wussten, dass etwas getan werden musste. Was noch wichtiger ist: Alle haben auch mit angepackt.
Jan und ich kümmerten uns um ein technisches Konzept, das Sendesystem und einen Generalunternehmer. Währenddessen kämpfte der Vereinsvorstand um die Finanzierung. Als die stand, konnte es losgehen — und das sogar relativ schnell! Wir haben ein gutes ¾-Jahr von der Idee bis zur ersten Sendung im August 2005 gebraucht. Das ging auch nur, weil neben den vollen Todo-Listen von Vorstand und Technik die Personalabteilung und die Chefredaktion Wort die Umschulungsworkshops vorbereiteten und die Musikchefredaktion in zahlreichen Extraschichten die Musik digitalisierte. Außerdem waren ziemlich viele mit der neuen Raumaufteilung beschäftigt. Das Studio 54 zog in den alten Technikraum. Der neue Technikraum kam in die Lounge und für die jetzige Lounge musste die Abteilung Ausbildung ihr Büro aufgeben und bekam einen Schreibtisch im Vorstandsbüro — dort musste aber sowieso der Teppich ausgewechselt werden.
„Digital ist besser“ von Tocotronic war der erste Song, den wir während der ersten Coffeeshop-Sendung aus dem neuen Studio spielten. Nostalgie rund um das alte Studio gab es nach dem Start nur wenige. Niemand trauerte dem kaputten Faderstart oder den CD-Haufen nach. Es soll aber Urgesteine gegeben haben, die das U-Boot vermisst haben. Die neue Technik dachte nämlich mit und ließ die Lautsprecher automatisch verstummen. Grund für die Nostalgiker, sich dann doch noch mal abends im alten Sendestudio, dem jetzigen Rüngeler-Studio, einzuschließen, um für einen kurzen Moment das U-Boot-Geräusch aufleben zu lassen. Dabei flüsterten sie sich selbst zu: „Anfääänger!“
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