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Was kommt nach den WhatsApp-Newslettern?
Hinter den Kulissen wird in vielen Redaktionen gerade diese Frage diskutiert: Was kommt nach den WhatsApp-Newslettern? Im Laufe des Dezembers soll Schluss sein. WhatsApp erlaubt Unternehmen eine One-to-One-Kommunikation und möchte eine One-to-Many-Kommunikation unterbinden.
In meiner heutigen Kolumne in der Rheinischen Post kritisiere ich, dass Mark Zuckerberg in seiner Rede an der Georgetown University zwar die Meinungsfreiheit als höchstes Gut präsentiert, aber auf der anderen Seite Medien ihre Nachrichten künftig auf der gesellschaftlich hochrelevanten App nicht mehr präsentieren können.
Gibt es Alternativen? Leider nicht wirklich. Andere Messenger spielen im Alltag der meisten Deutschen keine übergeordnete Rolle. Auch wenn die Messenger-Alternativen interessante Newsletter-Funktionen haben, ist dies für Publisher daher selten interessant. Wir können nicht das Online-Verhalten unserer Nutzer erziehen, wir können nur dort präsent sein, wo sie sich aufhalten.
Dazu ein paar Fakten:
- Die Nutzung von WhatsApp hat in den letzten 12 Monaten in Deutschland noch einmal zugenommen. Wöchentlich sind 75% der Deutschen dabei (täglich 63%)
- 22% der Deutschen teilen Nachrichten über Netzwerke, Messenger oder Mail
- 16% der Deutschen nutzen WhatsApp für News (nur Youtube und Facebook sind stärker — Twitter und Facebook Messenger sind mit jeweils rund 5% abgeschlagen)
Was Facebook/WhatsApp sagt: Nicht viel. Lösungsansätze werden nicht angeboten. Bei ähnlichen Entscheidungen hat Facebook gerne den Grund angeführt, dass die User eine bestimmte Funktion nicht wollen. Im Fall der WhatsApp-Newsletter kann jeder Publisher aber zeigen, wie sehr die Nutzer den Dienst schätzen. Ich bin immer noch beeindruckt, wieviel unaufgeforderte Fanpost wir von den Nutzern auch mehrere Jahre nach der Einführung bekommen. Kollegen berichten ähnliches.
Was traurig ist: Das Aus der WhatsApp-Newsletter ist nach meiner Einschätzung kein explizites Vorgehen gegen Journalismus, sondern viel mehr ein Kollateralschaden, einer eigentlich nachvollziehbaren Strategie. Im Kontext der Marktmacht von WhatsApp dürfte es aber nicht soweit kommen.
Was eine Lösung wäre: Facebook hat für neue Dienste wie „Today in“ oder den „Newstab“ eine Registrierung von Nachrichtenanbietern durchgeführt. Den Publishern auf dieser Liste könnte WhatsApp auch für den Versand von Newslettern erlauben. Das würde dann auch auf den in meiner Kolumne diskutierten Grund einzahlen, warum Facebook überhaupt zu dieser Entscheidung gekommen ist.
Warum es als Journalist nicht verwerflich ist, unternehmerisch zu handeln
Wir haben uns im Rahmen der „Digital Journalism Fewelloship“-Tour mit Community-Journalismus bei der jüdischen Zeitung The algemeiner beschäftigt, eine Diskussion mit Jeff Jarvis an seiner Hochschule geführt, den frisch mit einem News-Emmy ausgezeichneten Gründer des New York Times Visual Investigation Teams kennengelernt und uns von den Gründer von Civil den journalistischen Blockchain-Ansatz erklären lassen. Aber in meinem kleinen Tagebuch möchte ich heute ausgerechnet etwas von dem branchenfremden Programmpunkt festhalten: Der Art-Talk über Technologie und Marketing in der Kunst. In dem Gespräch sind mir viele Parallelen zu einer immer wiederkehrenden Frage im Journalismus aufgetaucht: Wie unternehmerisch müssen Journalisten denken? Gerade für freie Journalisten ist es ein Thema. Unternehmen wir einen kleien Ausflug in die Kunstszene.
Dienstagnachmittag, irgendwo in Tribeca, einem wunderschönen aber oft auch ein bisschen vergessenen Stadtteil im Schatten von SoHo und dem Financial District. Seit zwei Jahren gibt es hier den Spring Place, einen Members-Only-Club für die Kreativszene. Ein Ort der Begegnung, untereinander und mit Auftraggebern. Wir treffen auf die Kuratorinnen Roya Sachs und Elizabeth und den Düsseldorfer Kunst-Unternehmer Magnus Resch. Kontrovers diskutieren sie über den Einfluss von Marketing und Technologie auf die Kunst-Szene. Eine Diskussion zwischen Tradition und Moderne. Zwischen Alt und Neu. Zwischen Stillstand und Fortschritt.
Elizabeth Dee beschreibt, welchen Einfluss der Wandel von Print zum Digital-Journalismus bei der New York Times auf die Kunst-Szene der Stadt hat. Sie beklagt, dass aus den zwei Seiten am Wochenende nur noch eine halbe übriggeblieben ist. Früher war es Standart, dass jede große Ausstellung eine Rezension bekommen hat — heute eher ein Glücksfall. Für die Kunst- und Galerie-Szene sei es deutlich schwieriger geworden, sichtbar zu sein. Auch das zuständige Team bei der NYT sei inzwischen deutlich kleiner: Einige langjährige Journalisten sind in den 70ern – es wird kaum Nachwuchs in das Team zugeteilt. Der Grund für diese Entwicklung: Die Geschichten aus der Kunst-Szene bieten zu wenig Clickbait, meint Dee mit Verweis auf den digitalen Fokus der Times. Einige Galerien sind dazu übergegangen inzwischen sogar eigene Magazine zu veröffentlichen.
Was Journalisten von Künstlern lernen können
50 Prozent der weltweiten Kunsteinnahmen gehen an 25 Künstler. Die anderen 50 Prozent verteilen sich auf die Millionen anderen Künstler weltweit. Magnus Rech hat diese Zahlen aus einer Analyse mitgebracht, bei der es um eine Frage geht, die auch im Journalismus viele Freie umtreibt: Wie kann man von seiner Kunst leben?
Die Antwort: Es kommt auf das eigene Netzwerk an. Welche wichtigen Personen kennt der Künstler? Wer trägt die Arbeit des Künstlers weiter? Am Ende ist das Netzwerk relevanter als die Kunst an sich.
In der Journalusmus-Branche ist es ähnlich: Freie Journalisten sind auf das eigene Netzwerk angewiesen. Auch für festangestellte Journalisten spielt es eine Rolle. Trotzdem hat es immer noch „Geschmäckle“, wenn über „der Journalist als Marke“ oder unternehmerisches Handeln als Journalist gesprochen wird.
Warum sich die Ausbildung noch ändern muss
Natürlich folgt auch in der Kunstszene immer die Diskussion über Kommerz: Künstler wollen doch für ihre Kunst stehen, sie wirken lassen und sich nicht selbst vermarkten. Aber sind das am Ende die Künstler, die von ihrer Arbeit leben können? Nein, sagt Magnus Resch. Diese Sicht sei sehr romantisch. Sogar in der ganz alten Welt waren Künstler in Wirklichkeit Handwerker, die Auftragsarbeiten abwickelten.
Resch kritisiert, dass an den Kunstakademien dieser Welt zwar die Kunst den Studenten vermittelt wird, aber nicht sich selbst unternehmerisch zu vermarkten.
Interessanterweise sprach das auch Jeff Jarvis bei unserem Besuch der City University of New York an: In einer guten journalistischen Ausbildung werden viele Journalisten zwar darauf vorbereitet, wie sie als Freie arbeiten können – also wie man Redaktionen zum Beispiel Themen vorschlägt. Sie erhalten jedoch viel zu wenig Unterstützung, die neuen Wege zu nutzen, um selbstständig die eigene Arbeit sichtbar zu machen: Sei es auf Youtube, in einem eigenen Newsletter oder Blog in Zusammenspiel mit eigenen Events oder Büchern. Auch wenn diese Darstellungsformen alles andere als neu sind, ist der strategische Umgang häufig nur eine Randnotiz journalistischer Ausbildung.
Ähnlich wie im digitalen Journalismus hat auch die Kunstszene ein Problem mit sinkenden Einnahmen. Laut Resch sind in den letzten zehn Jahren 20% weniger Kunst verkauft worden. Zwar sind die Galerien und Ausstellungen extrem gut besucht, aber Kunst verkauft sich schlechter. Kunst hat ein Conversionproblem, stellt Magnus Resch fest. Die Leute sind da, kaufen aber nicht. Resch nennt als Grund die fehlende Transparenz im Kunstmarkt.
Interessant ist der Ansatz, den Roya Sachs verfolgt. Sie zeigt Kunst gerne an Orten, an denen Menschen diese nicht erwarten. Gute Kunst drückt für Sachs etwas aus und verleitet das Publikum zu einer Reaktion. Ihre Erfolgsformel: Am Ende des Tages, möchte das Publikum das Gefühl haben, Teil von etwas zu sein. Ein Gedanke, der sich auch auf die Medienwelt anwenden lässt, aber viel zu oft vergessen wird.
Hier geht es zum ersten Teil der Reise und einem Besuch bei Bloomberg: Auf das Timing kommt es an.
Auf das Timing kommt es an
Mit großen Ideen ist das so eine Sache: Setzt sie jemand zu früh um, scheitern sie. Zögert man, macht es wer anders. Ein Gespür für Timing ist nicht nur bei großen Ideen oder beim Erzählen von Geschichten wichtig, sondern auch bei der Konzeption von journalistischen Geschäftsmodellen.
Und damit willkommen bei meinem kleinen Tagebuch aus den USA. In den nächsten Tagen berichte ich von ausgewählten Stops meiner Reise. Ich darf Teil einer Delegation, die auf Innovations-Tour bei Medien und Startups in New York und San Francisco ist. Die Tour findet im Rahmen des Digital Journalism Fellowships der Hamburg Media School statt. In den zehn Tagen stehen unzählige Termine auf dem Plan, von einigen werde ich berichten. Wir beginnen in Midtown Manhattan, fast schon Upper Westside. Dort hat die Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg ihren Sitz.
Wir haben 2019 und die Deutschen lieben immer noch ihren Teletext. Millionen nutzen ihn täglich, viele kennen die dreistelligen Nummern für die Lieblingsseiten auswendig. Ähnlich „modern“ wirkt auf den ersten Blick die Oberfläche des Bloomberg Terminals. Gesteuert wird es per Kommandozeile; wer die Befehle beherrscht, hat einen unglaublich schnellen Zugang zur komplexen Welt dieses Finanz-Nachrichtendienstes. Und Zeit bedeutet für die Kunden, meist in der Finanzwelt, bares Geld. Um bestimmte Informationen über Unternehmen schneller zu erhalten, gönnen die Kunden sich das Terminal für $24,000 im Jahr. 300.000 aktive Terminals hat Bloomberg vermietet. Eine Gelddruckmaschine.
Das Terminal ist das Herz von Bloomberg, drumherum gibt es Fernseh- und Radioangebote, eine Zeitschrift und eine Webseite. Auf der Webseite landen 60% der wichtigsten Nachrichten von Bloomberg. Kostenlos. Allerdings mit einem interessanten Timing-Konzept:
- 15 Minuten nachdem eine Nachricht im Terminal für Bloomberg-Kunden aufschlägt, erscheint sie kostenlos auf der Webseite.
- 2 Jahre nachdem sie auf der Webseite stand, wandert sie in das kostenpflichtige Archiv.
Der knappe zeitliche Vorsprung von einer Viertelstunde ist der Finanzwelt also den bezahlten Zugang wert — und das Archivwissen.
Worüber ich nach dem Besuch nachgedacht habe: Bloomberg findet in Diskussionen in der Medienbranche kaum statt. Sie sind schließlich nicht auf der Suche nach einem neuen digitalen Geschäftsmodell. Man trifft Vertreter kaum auf Podien, auch rund um die US-Politik fällt die Agentur zwischen New York Times und Fox News kaum auf: Objektivität und die pure Nachricht ist ihnen wichtig. Selbst in Deutschland ist Bloomberg kein kleiner Anbieter: Es gibt mehrere Redaktions-Standorte mit gut hundert Mitarbeitern.
Was können andere Medien sich abschauen? Bei der Konzeption von journalistischen Bezahlangeboten könnten auch reguläre Medien stärker über den Faktor Timing nachdenken. Warum nicht Kunden einen Podcast schon 24 Stunden eher anbieten? Warum die Lokalmeldungen nicht nach einem Jahr komplett kostenpflichtig umstellen? Warum nicht Newsletter anbieten, in denen Abonnenten bestimmte Texte schon eher erhalten? Bei Bloomberg kann man sich definitiv etwas inspirieren lassen.
Der Wert von Freiflächen in den Medien
Ich sitze gerade in einem Starbucks in Greenwich Village. Vor ein paar Jahren war ich schon mal hier, da fragte mich ein TV-Producer, ob ich nicht meine Lieblingsecken in Manhattan für eine Sendung zeigen möchte. Leider ging es für mich am nächsten Morgen zurück nach Deutschland. So fand die Geschichte ihr schnelles Ende. Wer weiß, was dem US-Fernsehen für ein Talent verloren gegangen ist. Ich fürchte, kein großes.
In dieser Woche hatten Dennis Horn und ich wieder das Glück das Talente-Programm rund um die Tutzinger Radiotage betreuen zu können. Über „Was mit Medien“ hatten wir auch in diesem Jahr aufgerufen und aus den Bewerbungen ist eine kleine, feine Truppe junger Medienleute geworden.
Aziza und Patrick aus Bonn, Manuel aus München, Lena aus Frankfurt, Melanie aus Bayreuth und Christian aus Mannheim, aber eigentlich von Föhr. Sie rockten Twitter, Instagram, erstellten ein kleines Online-Magazin und eine picke packe volle Radiosendung mit vielen Themen und noch mehr Stimmen (siehe Foto). Das war für mich eine ganz beeindruckende Gruppe.
Das Wort Talent führt ja immer etwas in die Irre. Als wir das Projekt vor einigen Jahren gestartet haben, nannten wir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bewusst nicht Newcomer. Die meisten waren wirklich keine Neulinge mehr in den Medien. Die Talente verbindet allerdings nicht nur, einen Platz in der Medienwelt zu suchen, sondern dass sie neue Dinge ausprobieren wollen, die bisher zu kurz gekommen sind.
Da ist mir noch einmal aufgefallen: Wie wertvoll —und leider sehr selten— Freiflächen in den Medien sind, in denen man sich einfach ausprobieren kann. Einige Workshop-Übungen bieten das, vereinzelte auch interne Projekte. Aber: Leute zusammenbringen, ein Thema geben und sie machen lassen — da entstehen nicht nur gute Sachen, sondern es bringt auch alle Beteiligte weiter. In dieser Woche bin ich noch mal dran erinnert worden, wir sollten uns diese Freilflächen bewahren. Vielleicht nicht nur bei Projekten, sondern auch mal gedruckt, gepixelt oder gesendet.
Mein Tipp: Hört euch die Podcastausgabe von „Was mit Medien“ in dieser Woche ein. Darin geht es um Truecrime-Podcasts, TV-Satire für den politischen Journalismus, kreative Themenfindung, gute Gespräche im Hörfunk und was die Macher vom Machiavelli-Podcast, Barbaradio und der NewsWG in den letzten Monaten über sich und die Medien gelernt haben.
Kommt ihr auch zum Campfire 2019?
Am Wochenende steigt zum zweiten Mal das Campfire Festival in Düsseldorf und wir sind mit der Rheinischen Post wieder dabei und unterstützen das Correctiv.
Vor dem Landtag werden zwei Dutzend Zelte aufgebaut und am Samstag (31.08.) und Sonntag (01.09.) gibt es dort viele Talks und Workshops rund um Medien, Gesellschaft und digitaler Wandel.
Zusammen mit RP ONLINE Redaktionsleiter Rainer Leurs durfte ich wieder das Programm im RP-Zirkuszelt kuratieren und wir freuen uns wie Bolle, dass es jetzt losgeht.
Das Programm im RP-Zirkuszelt stellen wir euch in unserem Zeitgeist-Blog vor. Ellen Ehni (WDR Fernsehen), Carsten Fiedler (Kölner Stadt-Anzeiger), Marie Todeskino (DerWesten), Tanit Koch (RTL/NTV), Richard Gutjahr (Journalist), Stefan Niggemeier und Boris Rosenkranz (Übermedien), Sheila Mysorekar (Neue Deutsche Medienmacher), Serap Güler (Land NRW), Frank Überall (DJV), Vassili Golod und Jan Kawelke (Machiavelli-Podcast) und soooo viele mehr. Einen Programmpunkt möchte ich aber besonders vorheben, das ist für mich selber noch eine Fortbildung:
Deine Mudder wächst schneller als Facebook: Wie TikTok Deutschland und die Welt erobert (Samstag, 31.08., 13 Uhr)
TikTok ist die wohl meistgehypte App der Welt: 800 Millionen Menschen nutzen das soziale Netzwerk regelmäßig, auch in Deutschland ist TikTok auf dem Vormarsch. Was will der chinesische Mutterkonzern, der 1 Milliarde Euro für Werbung ausgab? Woher kommt der große Erfolg? Und wie können Medienmacher Tiktok für sich nutzen? In diesem Panel finden wir es heraus. Mit dabei sind Orlina Miller, Europa-Marketingchefin von TikTok, die TikTok-Kreatorinnen @yasta und @midovibes und der 1Live-Digitalstratege Robert Rack. Moderation: Richard Gutjahr
Aber auch die zahlreichen anderen Zeltbetreiber und das Correctiv haben ein tolles und umfangreiches Programm auf die Beine gestellt. Wenn ihr auf https://campfirefestival.org/sched/ klickt, findet ihr auch viele interessante Namen: Stephan Weichert, Georg Restle, Maximilian Popp, Barbara Hendricks, Thomas Kutschaty, Cord Schnibben und so viele mehr.
Zur Einstimmung empfehle ich unsere RP-Beilage zum Campfire. Wie ich versuche Papier zu lesen, könnt ihr ja auf den Fotos sehen. Die Digitalfassung gibt es in unserem Zeitgeist-Blog: https://zeitgeist.rp-online.de/
Samstag und Sonntag beginnt das Programm jeweils um 11 Uhr offiziell. Der Eintritt ist frei. Das Wetter wird gut. Sehen wir uns?
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