Ich habe digitalen Selbstmord begangen. Ich habe Google mit meinen Daten gefüttert. Freiwillig. Google kennt jetzt meinen Wohnort, meine Web-2.0-Profile und weiß über meine Superkräfte bescheid. Ich habe mein persönliches Google Profil angelegt.
Die Google-Profile werden das nächste große Ding im Internet. Immer öfter wurde in den vergangenen Monaten über Identitätsmanagement gesprochen. Themen wie Identitätsmissbrauch oder -klau geistern durch das Netz. Interessant ist die Antwort von Google zum Thema Identitätsmanagement.
Auf dem ersten Blick auf die Profile war ich etwas deprimiert, weil die Datensammelwut von diesem Google durch dieses noch junge Tool auf die Spitze getrieben wird. Ich soll mein Foto, meine Kurzbiographie, mein Wohnort, meinen Arbeitgeber und meine wichtigsten Links eingeben. Diese Daten sollen im Internet angezeigt werden. Aber bei Google gibt es ja immer auch einen zweiten Zweck.
Es geht bei den Google-Profilen aber nicht darum, sich im Netz selbst darzustellen. Das können andere Dienste viel besser, wie so mancher leichtsinniger Nutzer bei Facebook und StudiVZ schon bewiesen hat. Wer aber auf das Netz angewiesen ist, für den ist das Angebot verlockend. Widerstehen scheint zwecklos. Ein kritischer Blick ist trotzdem angebracht.
Nach dem Login mit meinem Google-Account werde ich eingeladen, mein öffentliches Profil anzulegen. Es besteht aus drei Registerkarten. Auf der ersten Karte kann ich meinen Steckbrief und meine Links eingeben. Es folgt eine Registerkarte für Fotos (ich kann Picasa, Flickr, meine Festplatte oder andere Services als Quelle wählen) und für meine Kontaktinfos. Diese Kontaktinfos sind aber nur für meine Google-Mail-Kontakte sichtbar. Hat sich ein Google-Mail-Kontakt eingeloggt und besucht mein Profil, kann er meine Kontaktinfos sehen, wenn ich diese freigeschaltet habe. Alle Anderen können mir eine Nachricht schicken, ohne dass sie meine E-Mail-Adresse sehen.
Sowohl Sinn, als auch Zweck der Google-Profile sind wie deren Geschichte: Etwas wischiwaschi. Im Dezember 2007 hat Google die Profile noch als Werkzeug angepriesen, mit dem man sich bei allen Google-Produkten präsentieren kann (siehe Google System). Heute will Google die Profile seinen Nutzern anders schmackhaft machen und schreibt: „Je mehr Informationen Sie eingeben, desto leichter werden Sie von Ihren Freunden gefunden.“
Die Auseinandersetzung in deutschen Blogs mit diesem Thema pendelte bisher irgendwo zwischen „nicht existent“ und „total unkritisch„. Im englischsprachigen Raum sind die Profile in dieser Woche Thema geworden, da nun die Google-Nutzer sich ohne Google-Account ein Profil anlegen können. „Sichere‘ dir jetzt sofort eine persönliche URL für dein Google Profil“, empfiehlt Amit Agarwal seinen Lesern.
Allerdings sind die Profile von Google noch unglaublich fehlerhaft. Lifehacker merkt an, dass jetzt zwar jeder ein Profil anlegen kann, wer aber das Profil bereits mit einem Google-Account verbunden hat, kann den Namen (und so auch die URL) nicht mehr trennen. Wer nicht seinen Vollnamen als Google-Account benutzt, schaut in die Röhre und muß gegebenenfalls mit seiner E-Mail-Adresse als Google-Profil-URL vorlieb nehmen.
Auch ich hatte mit dem Erstellen meine Probleme. So hat sich über Nacht mein Foto von selbst ausgetauscht. Ich weiß nicht, wie das neue Foto dort hingekommen ist. Vielleicht habe ich das einmal in G-Talk (das ist ein Chatprogramm) eingegeben. Dann gibt es keine ordentliche Tastensperre für Seitenwechsel oder Zwischenspeicherfunktion. Meine Biographie mußte ich drei Mal eintippen, da ich durch eine doofe Tastenkombination die vorige Webseite aufgerufen habe. Andere Web-Applikationen bieten hier eine Sperre an. Bei der Rückkehr auf die Profilseite war das Formular wieder komplett leer. So etwas ist ziemlich ärgerlich. Außerdem bietet mir Google nach dem ersten Speichern zwar an, das Profil zu editieren; es gibt aber zusätzlich den Link zum Erstellen eines neuen Profils. Hier finde ich wieder ein leeres Formular vor. Da habe ich zunächst den Schreck bekommen, wo denn alle meine Daten sind. Zum Glück habe ich dann den „Profil bearbeiten“-Knopf gefunden. Das ist irritierend.
Und warum konnte ich dem Google-Profile nicht widerstehen? Ich habe öfters in letzter Zeit den Sätze gehört wie „wir wollten Sie kontaktieren, wußten aber nicht wie“ oder „endlich haben wir Sie gefunden“. Ich frage mich zwar, wie das in Zeiten von XING und Impressums-Seiten passieren kann, aber anscheinend existiert für viele Menschen im Internet nur das, was unter den zehn Treffern einer Google-Suchergebnisseite zu finden ist. Wenn ich mein Google-Profil ordentlich pflege, gehe ich fest davon aus, dass Google das Profil, oder die darauf verlinkten Seiten, bei der Suche nach meiner Person bevorzugen wird.
Das ist für mich schon Grund genug mich intensiv mit diesem Feature zu beschäftigen. Auch wenn es irgendwo noch einen größeren Sinn gibt.
Mike Gunderloy hat seine Leser schon Ende 2007 darauf hingewiesen, dass die Zukunft der Profile unklar ist. Er schrieb:
With the combination of Profile and Accounts, plus the social features recently added to Reader, plus other properties in the Google arsenal like Jaiku and Orkut, its entirely possible that Google is planning a run at being the social networking king. On the other hand, its also possible that they could shop the combination around to other sites as their own answer to Passport and OpenID – a universal web identity backed by a trusted brand.
Bemerkenswert finde ich, dass Google heute anscheinend immer noch nicht weiter ist. Gut 17 Monate später ist eine Gesamtstrategie nicht erkennbar. Den großen Wurf gegen Facebook & Co. gab es noch nicht. Ich gehe stark davon aus, dass Google demnächst ein X zu uns herabschickt, was die verschiedenen Social-Media-Dienste der Suchmaschine verbinden wird.
Bis dahin hoffe ich stark auf die Visitenkartenfunktion der Profile. Und das Google die Profile möglichst zügig und gut in den Suchergebnissen einbauen wird. So wie wir das schon von Google Maps & Co. kennen. Immerhin habe ich als Nutzer dann die Chance meine öffentlichen Daten zu kontrollieren. Ein wichtiger Schritt in Richtung Identitätsmanagement. Wenn ich jetzt meine Daten pflege – da wird mir dann doch niemand digitalen Selbstmord vorwerfen!?
Mein Profil findet ihr unter www.google.com/profiles/daniel.fiene
Marcel Pauly meint
Hab jetzt auch mal etwas mit den Profiles experimentiert und es scheint zu stimmen: Die darauf verlinkten Seiten werden bei der Google-Suche bevorzugt, zumindest rutschen sie immer weiter nach vorne. Lustigerweise wird die Profil-Seite selbst nicht gefunden. 😉
daniel meint
Hey, das ist interessant zu hören! Das konnte ich bei mir noch nicht beobachten. Vielleicht dauert es auch noch etwas.
In den USA baut Google die Profile schon in die Suchergebnisse jetzt seit ein paar Tagen ein. Demnächst können wir das wohl dann auch in Deutschland beobachten. Ist wohl nur die Frage von einigen Wochen.