Der Umgang mit dem Thema Suizid in den Medien ist ohne Frage nicht einfach. Diese Debatte sollte häufiger unter Medienschaffenden stattfinden. Fassungslos starre ich auf den Titel einer Veranstaltungsreihe der Düsseldorfer Kunstszene. Zum 50. Todestag von Gustaf Gründgens soll „dem großen Düsseldorfer Theatermann“ gedacht werden. Als Titel sind ausgerechnet die letzten Worte seines Abschiedsbriefs ausgewählt worden: „Lass‘ mich ausschlafen“.
Die Hintergründe gibt es in einer aktuellen Pressemitteilung der Stadt Düsseldorf. Bereits im ersten Absatz ist Gründgens‘ Selbstmord prominent platziert:
In der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober 1963 starb unerwartet der Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter Gustaf Gründgens (1899 — 1963) in Manila. Wenige Monate zuvor hatte er in einem letzten Interview mit Günter Gaus bekannt: „Ich habe in den letzten dreißig Jahren … vergessen zu leben.“ Er wollte dies auf einer Weltreise nachholen. Kurz vor seinem Tod notierte er noch auf einem Zettel, er habe zuviel Schlafmittel genommen —“lass‘ mich ausschlafen“
Ich finde die Wahl des Titels unsensibel und am Ende sogar gefährlich. Ich kann nicht erkennen, ob die Macher sich Gedanken über die mögliche Wirkung der Titelwahl gemacht haben.
Vielleicht geht die hiesige Kulturszene mit dem Suizid Gründgens‘ nach all den Jahren anders um, und hat ihren Frieden damit geschlossen. Aber ob dies für den Rest der Gesellschaft gilt, die durch den Titel prominent mit dem Thema konfrontiert wird?
Ich bezweifele, dass das Schauspielhaus und die Museen Gründgens gerecht werden, indem sie an sein wichtiges Schaffen für die Düsseldorfer Kulturszene gedenken und dies an seine Abschiedsbotschaft aufhängen.
Durch einen vorbildlichen Umgang mit dem Thema Suizid ist mir kürzlich hingegen Süddeutsche.de aufgefallen. Die Meldung über den Tod eines Schauspielers ist um folgenden Text ergänzt worden:
Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns entschieden, in der Regel nicht über Suizide zu berichten, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Die Berichterstattung im Fall Thompson gestalten wir deshalb bewusst zurückhaltend, wir verzichten weitgehend auf Details. Der Grund für unsere Zurückhaltung ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Suizide.
Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.
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