Eine Sache bleibt für mich nach dem Besuch von Mark Zuckerberg in Berlin hängen: Er selbst hat keinen Hype ausgelöst, aber die Angst vor einem Hype, seitens der Nutzer, Beobachter, Journalisten und Menschen, die ihn persönlich begegneten, ist selbst zu einem Hype geworden.
Vorsorglich haben sich alle schon im Vorfeld aufgeregt und ordentlich empört. Umso gespannter war ich, ob Mark Zuckerberg die deutschen Erwartungen, die an ihn gestellt wurden, auch erfüllt. Die Stimmung beim Townhall-Meeting am Freitag hat mich überrascht. Ich habe sie als nüchtern erlebt. Hier wurde kein Popstar gefeiert. Hier wurde keinem Oberhaupt einer Gemeinschaft mit großer Mitgliederschaft zugejubelt — und da können Vergleiche sowohl zu Auftritten von politischen oder religiösen Führern herhalten. Der Applaus für Zuckerberg war meist höflich. Es war einfach eine große Fragerunde, zum großen Teil inszeniert. Mark Zuckerberg —ganz Mensch— auf „gefällt mir“-Mission, wie es mein RP-Kollege Florian Rinke in dieser Woche so schön formuliert hat.
Hype-Auslöser waren eher die anderen. Da müssen wir natürlich auch kurz über den Axel-Springer-Verlag reden. Die haben extra einen Preis erfunden, der Springer zu viel Quality-Time mit Mark verhalf – auch für die Freunde des Hauses, selbst der Samsung-CEO kam vorbei. Diese Idee pendelt zwischen Genialität und Wahnsinn. Die einen bewundern diesen Schachzug des Medienhauses im langfristigen „House of Cards“, mit dem Ziel, in der digitalen Welt in der ersten Reihe mitspielen zu können. Die anderen sind verzweifelt wegen der Doppelmoral und ob des Anbiederns, für ein exklusives Interview. Sie erwarten: Die Worte des überschwänglichen Lobes von Springer-Chef Mathias Döpfner haben nur eine kurze Halbwertszeit. Wahrscheinlich haben beide gegensätzliche Haltungen Recht.
Es geht übrigens auch ohne Aufregung. Auf dem Rückflug nach Düsseldorf habe ich am Samstag sehr gerne die Seite 3 im Tagesspiegel gelesen. Aufgeschrieben, was ist — mit all‘ den Vor- und Nachteilen des Zuckerberg-Besuchs. Ich könnte nach der Lektüre des Texts nicht einmal sagen, ob die Autorin das Townhall-Meeting im Live-Stream oder im Saal verfolgt hat. Ist letzteres der Fall, dann ist der uneitle Umgang mit dem Zuckerberg-Besuch zu loben. Die Tagesthemen haben sich entschieden, den kritischen Blick auf die strikte Abschirmung Zuckerbergs gegenüber der Presse zu thematisieren. Der Tenor: Der Konzern, der selbst totale Offenheit von den Nutzern erwartet, ist selbst total verschlossen. Das öffentlich-rechtliche Vertreter im Saal waren und in den USA zu Townhall-Meetings normalerweise gar keine Journalisten eingeladen werden, wird nicht erwähnt. Einen richtig guten Job im kritischen Umgang mit Facebook hat Hajo Schumacher gemacht. Er hat sich von dem Hype um den Hype nicht beeindrucken lassen und sich mal hingesetzt und die wirklichen kritischen Punkte rund um Facebook herausgearbeitet. Hört euch mal die vier Minuten seines Freitags-Kommentar bei Radio Eins vom RBB an. Eine kritische Auseinandersetzung ohne die typische Technophobie deutscher Medien.
Wer ebenfalls etwas aus deutscher Sicht ohne typischer Technophobie lesen möchte, wird im Gespräch zwischen Mathias Döpfner und Mark Zuckerberg in der „Welt am Sonntag“ fündig. Ausgerechnet bei dem Absender, der für viel Hype rund um den Besuch von Mark Zuckerberg verantwortlich ist.
Lektüretipp – meinen Text für die RP könnt ihr hier lesen: „Die Zuckerberg-Show: Mögt mich!“
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