Weniger Social-Traffic, weniger Google-Traffic. Woher kommen denn dann künftig unsere Besucher? Ich mag es ja, wenn die Theorie durch die Praxis mit einem schönen aktuellen Beispiel bestätigt wird. Letzte Woche schon mit der Kleinen Algorithmenkunde in der Praxis, heute habe ich ein Praxisbeispiel für neue Traffic-Quellen gefunden, die ich am Wochenende in meinem „Blogs neu denken„-Beitrag beschrieben habe.
Theorie: Es werden wieder häufiger Webseiten direkt über die Adresszeile aufgerufen – wie hier und da zu lesen ist und sich bestimmt demnächst auch in Studien niederschlägt. Wenn Blogs wieder bloggiger werden, haben sie eine gute Chance wie der Lieblings-Podcast oder der Lieblings-Newsletter zur Lieblings-Webseite einiger Nutzer zu werden. Die kommen immer wieder, nutzen das Format intensiver – und steuern es fast schon automatisch beim Klick auf die Adresszeile an.
Für die, die eher etwas lockerer mit eurer Webseite verbunden beiben wollen, sind die neuen Social Media ein guter Ort. Konkret: Ihr könnt eure Blogs und Webseiten an das dezentrale Social-Media-Netzwerk Fediversum anschließen. Als eigene Instanz agiert ihr auf Augenhöhe mit anderen Instanzen wie Mastodon oder künftig Threads. User anderer Netzwerke können euren Inhalten folgen. Der Vorteil: Wir pflegen nicht mehr einen Kanal auf einer Plattform, von der wir abhängig sind und die am Ende mehr profitiert als wir.
Praxis: The Verge setzt beide Lösungen um. Einmal ist die Startseite seit dem Relaunch bloggiger (siehe: Unser Blog soll schöner werden (4): Heute mit The Verge). Digiday berichtet jetzt: Die Gruppe der loyalen Leserschaft ist im vierten Quartal 2023 um 47% im Vergleih zum ersten Quartal des Jahres gestiegen. Dazu gehören alle, die mindestens fünf Mal im Kalendermonat die Seite besuchen. Die Verweildauer ist im gleichen Zeitraum von im Schnitt 6:39 Minuten auf 8:10 Minuten gestiegen. Außerdem bereitet The Verge vor, sich dem Fediversum anzuschließen. Chefredakteur Neil Patel sieht in den Versprechungen der dezentralen Netzwerke die Lösung der aktuellen Distributionsproblem. Medien seien endlich keine Zulieferer mehr.
Warum setzt The Verge auf das Fediversum, auch wenn dort noch nicht der Mainstream ist? Weil das Netz gerade im Umbruch ist. Grundsätzliche Mechanismen die uns über Jahre oder Jahrzehnte begleitet und die Art wie wir digital publizieren beeinflusst haben, verlieren massiv an Bedeutung. Wie groß dieser Umbruch ist, zeigt das Zitat von Neil Patel:
„Man sollte auf Menschen setzen, die neue Dinge schaffen, neue Probleme lösen und begeistert sind, eine neue Version dieses Internets zu finden.“
Vermutlich hat er recht: Wir können gerade zusehen, wie eine neue Version des Internets entsteht. Aber nicht nur das. Wir können sie sogar mitgestalten.
Am Rande: Vor einem Jahr kündigte Verge-Mutter Vox Media an, das eigene CMS Chorus gegen WordPress VIP einzutauschen. Im Nebensatz erfahren wir bei Digiday: Der Umstieg soll erst im kommenden Jahr komplett sein, also nach zwei Jahren. 2 Jahre!
Schreibe einen Kommentar