Alle sprechen über die neue Rolle von X. Nach der Wahl hat Elon Musk sich als einer der einflussreichsten Akteure der US-Politik etabliert. Seine engen Verbindungen zu Trump und der strategische Einsatz von X haben ihm nicht nur finanzielle Vorteile, sondern auch erheblichen politischen Einfluss verschafft. In diesem Licht betrachtet, hat sich Musks Übernahme von X ausgezahlt – auch wenn seine ehrgeizigen Pläne, X zu einer „Everything-App“ umzuwandeln, noch nicht realisiert wurden. Eigentlich hätte bis jetzt ein integriertes Bezahlsystem Teil der Plattform sein sollen.
Die neue Rolle von X wird heiß diskutiert, meiner Meinung nach aber überbewertet. Ja, Trump nutzt die Plattform wieder intensiv und macht sie damit für einige Akteure unverzichtbar. Doch das ist nicht neu. Schon während seiner ersten Amtszeit dominierte das alte Twitter mit jedem Trump-Tweet den Nachrichtenzyklus. Die Geschichte wiederholt sich hier.
Allerdings führt die zunehmende Nähe von X zur Trump-Administration und unpopuläre Änderungen wie die Schwächung der Blockierfunktion – blockierte Nutzer können weiterhin Beiträge sehen – dazu, dass viele Nutzer nach neuen Mikroblogging-Plattformen suchen. Am Tag nach der Wahl verlor X Berichten zufolge etwa 281.600 Nutzer. Für viele ist die Plattform, die schon vor dem Launch von Threads in Deutschland an Schwung gewann, die erste Wahl: Bluesky.
Bluesky profitiert und erfährt viel Zuspruch. Die Plattform meldete einen Zuwachs an neuen Anmeldungen um 15,5 %. In der Woche nach der Wahl gewann Bluesky zwischen 700.000 und 1 Million neue Nutzer hinzu. Dadurch stieg die Gesamtzahl der Nutzer von 13 Millionen Ende Oktober auf 14,5 bis 20 Millionen. Aufgrund des Nutzeransturms kam es letzten Donnerstag sogar zu einem Ausfall des Dienstes – ganz wie in den guten alten Twitter-Tagen…
Der erste visuelle Eindruck von Bluesky erinnert ebenfalls an das alte Twitter, was der Plattform bei vielen Nutzern sofort Pluspunkte einbringt. Aber Bluesky bietet noch mehr. Zum Beispiel gibt es coole „Starter Packs“, die neue Nutzer mit einem thematischen Basis-Set an Inhalten ausstatten, sodass sie nicht bei null anfangen müssen. The Verge zeigt die Starter Packs und andere einzigartige Features:
The Verge: Here’s some cool stuff you can do with Bluesky
Auch Threads wächst – und das deutlich. In der ersten Monatshälfte gab es 15 Millionen Neuanmeldungen. Nach den US-Wahlen wuchs Threads um die Größe von Bluesky. Während die Netzmedien und die Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit auf Bluesky richten, entscheidet sich die breite Masse der Nutzer weitgehend für Threads. Und das liegt nicht nur an Instagram: Threads fragt neue Nutzer inzwischen nicht mehr, ob sie ihren Insta-Followern auf Threads folgen möchten. Der Grund: Threads-Nutzer wollen keinen Abklatsch ihres Insta-Feeds, sondern lieber ein eigenes soziales Netzwerk aufbauen.
Fazit: Obwohl sich Bluesky als das „neue Twitter“ positioniert, ist es das letztlich nur im wörtlichen Sinne. Genau wie Twitter war es nie ein Netzwerk für alle, sondern eher für Kommunikatoren und genervte Zugreisende. Die Plattform wird vor allem von Nischen-Nutzern entdeckt. Punkt für Bluesky. Aber der Gesamtsieg entscheidet sich, wenn die X-Alternativen ein solides Geschäftsmodell etabliert haben. Und in dieser Hinsicht hat Threads die besten Karten – besonders wenn es in das Werbegeschäft einsteigt, mit einem vermarktbaren Umfeld, das X überlegen ist.
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