Vor ein paar Jahren schrieb mir ein Freund auf mein Facebook-Profil, heute sei „Welttag des Fienes“. Der 13. Februar ist Welttag des Radios. Die Unesco ruft ihn jährlich aus, um zu zeigen, wie wichtig dieses kostengünstige Massenmedium immer noch ist. Es hat die größte Hörerschaft weltweit. Es gibt immer noch abgeschiedene Gebiete, in denen das Radio das einzige Informationsmedium ist. Heute Früh bin ich über einen DPA-Artikel bei Heise gestolpert, der sich dem Radio in Zeiten von Spotify & Co. widmet. Der Tenor: Immer noch eine hohe Nutzung, aber ein paar Prozentpunkte Rückgang in der Jugend. „Weitermachen ist keine Option“ las ich. Ich bin mir da nicht so sicher. Der Draufblick ist ganz interessant, bietet aber weder große Überraschung, noch geht er mir genug in die Tiefe.
Es gibt so viele spannende Aspekte. So verstehe ich es nicht, warum von außen oft Spotify als Konkurrenz für das Radio verkauft wird. Vor einigen Jahren haben wir schon festgestellt, dass Spotify in Situationen genutzt wird, in denen Hörer einfach nur die eigene Musik einschalten möchten. Somit ist der Musik-Streamingdienst eine Konkurrenz für iTunes, welches ja schon eine Konkurrenz für die illegalen MP3-Downlads und die CDs gewesen ist. Heute sehen wir sogar, dass sich Spotify und Radio prima ergänzen.
Die aktuelle ARD-ZDF-Onlinestudie zeigt: 28% der Internetnutzer in Deutschland hören Radioprogramm live im Internet. Mehr waren es in den letzten Jahren nicht. 2009 waren es noch 25%. Und das, obwohl in den letzten drei Jahren die Musikstreaming-Dienste hinzukamen. 2013 nutzten 7% der Internetnutzer in Deutschland diese Angebote. 2014 waren es 11% und im vergangenen Jahr 15%. Im gleichen Zeitraum stieg das Zeitversetzte Hören von Radiosendungen von 12% auf 15%. Und Podcasts von 5% auf 13%.
In Workshops zeige ich auch gerne diese Zahlen von Spotify. Die tägliche Verweildauer liegt bei 148 Minuten – da lächeln einige Radiosender drüber. Spannend ist für mich aber die rechte Hälfte. Dort sehen wir die Tagesverlaufskurve der Spotify-Nutzer. Am Morgen sinkt die Nutzung, erst zur Mittagszeit nimmt sie zu, am Nachmittag / frühen Abend erreicht sie den Höhepunkt und nimmt dann wieder ab.
Das passt perfekt komplementär zur Nutzung des Radios. Ich habe einmal die typische Radionutzung eingezeichnet. Es dürfte nicht zu übersehen sein:
Interessant, oder? Die Radionutzung steigt am Morgen extrem in die Höhe und nimmt dann zum Nachmittag extrem ab. In Richtung Feierabend geht die Kurve noch einmal hoch. Webradios erleben vor 20 Uhr sogar noch einmal eine intensivere Nutzung, die sogar auch länger am frühen Abend anhält.
Ich habe mich über die Spotify-Kurve sehr gefreut, denn sie zeigt, wie gut sich Radio und Spotify ergänzen: Morgens möchte der Hörer an die Welt angebunden werden, wissen was geht und unterhalten werden. Spätestens aber dann zur Mittagszeit, wenn schon zig Mails vom Chef eingetroffen sind, dann will der Hörer eher wieder seine Ruhe. Er zieht sich akustisch zurück und hört seine Musik. Am Abend splitten sich die Hörer. Einige bleiben bei ihrer Musik, andere wechseln zurück zum Radio. Ich habe hier natürlich extrem pauschalisiert, aber es zeigt uns: Spotify und Radio ergänzen sich sehr gut. Für Radiosender heißt dies, dass sie sogar viel aktiver auf Spotify sein sollten. Warum nicht eigene Playlisten anbieten, um die eigene Musikkompetenz zu beweisen? Warum nicht eigene Inhalte in Audio-Form zur Verfügung stellen? Spotify stellt die passenden Tools zur Verfügung. Und so halten sich Radiosender für ihre Hörer relevant.
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