Das Unlgück passierte vor zwei Wochen. Die Maschine von Polens Präsidenten Lech Kaczyński war auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Massakers von Katyń vor 70 Jahren und stürzte ab. Niemand der 96 Insassen überlebte das Unglück in Westrussland. Neben dem Präsidentenehepaar waren auch viele führende Köpfe des Staates mit an Board. In den ersten Tagen nach dem Unglück war das Thema selbst in den deutschen Medien omnipräsent. Aber wie umfassend aber auch schwierig muß die Berichterstt erst in Polen gewesen sein? Beobachter sprechen teils von medialer Staatstrauer.
Wir haben in der aktuellen Ausgabe vom Audio-Medienmagazin Was mit Medien mit dem polnischen Journalisten Bartosz Wielinski gesprochen. Er arbeitet im Auslandsressort der liberalen Zeitung Gazeta Wyborcza, für die er auch schon als Deutschland-Korrespondent in Berlin arbeitete. Er schildert die Konflikte, mit denen sich Journalisten in den letzten Tagen auseinandersetzen mußten. „Niemand hatte die Erfahrung, was bei so einer großen Katastrophe zu tun ist“, so Wielinski. Hier ist das Transkript aus dem Podcast – wie immer leicht gekürzt und geglättet.
Herr Wielinski, wie haben Sie die Berichterstattung um den Tod Ihres Präsidenten erlebt?
Bartosz Wielinski: Am Samstag herrschte in allen polnischen Medien der Ausnahmezustand. Schon wenige Stunden nach dem Tod haben wir bei unserer Zeitung eine Sonderausgabe herausgebracht. Am Sonntag auch. Normalerweise erscheinen in Polen am Wochenende keine Zeitungen. Wir haben diese Tradition nicht, aber das war ein Ausnahmefall. Das Fernsehen hat auch sofort das normale Programm unterbrochen. Es gab Sondersendungen mit Live-Schalten zu verschiedenen Orten in Russland, Polen und in anderen Ländern. Ich hatte dann am folgenden Donnerstag den Eindruck, dass die Leute von der Trauer ziemlich müde waren. Die Medien haben bis zum letzten Tag der Trauer die Katastrophe durchlebt und jede Facette mit ihrer Sonderberichterstattung besprochen. Das war ziemlich schwierig. Die Redaktionen haben lange gearbeitet und es gab großen Druck. Das habe ich auch selbst erlebt.
Ich stell mir das in der Situation ziemlich schwer vor. Man kann ja in einer Redaktion viel vorbereiten und planen. Aber so einen Fall dann ja doch nicht – wußten Sie direkt, was zu tun war?
Alles war sehr spontan. Natürlich gibt es gewisse Prozesse die wir angewandt haben, aber niemand hatte die Erfahrung, was bei so einer großen Katastrophe zu tun ist. Besonders für das Fernsehen war das eine große Überraschung, denke ich. Die mußten direkt berichten und ihre Leute zu den unterschiedlichen Orten schicken. Das war deswegen wichtig, da die verstorbenen Abgeordneten aus den unterschiedlichsten Städten in Polen kamen. Aus Westpolen, aus Krakau und so weiter. Von dort sollten natürlich auch die Reaktionen der Leute gezeigt werden. Die Katastrophe war so enorm! Dieses Ereignis war so erschreckend, denn man hatte eine klassische Zeremonie in Katyń erwartet. Es sollte eine Rede von dem Präsidenten geben, wie auch eine heilige Messe. Aber eine Katastrophe mit einem Flugzeugabsturz war für alle undenkbar.
Mittlerweile sind schon ein paar Tage vergangen. Mittlerweile beherrschen andere Themen auch wieder die polnischen Medien. Wenn Sie rückblickend die Berichterstattung aller Medien reflektieren, fanden Sie die angemessen, oder hatten Sie manchmal auch den Eindruck, dass Ihre Journalistenkollegen manchmal ihre Position verlassen oder gar ihre Objektivität zum Teil über Board geworfen haben?
Nein, auf keinen Fall. Das muß man unterscheiden. Kaczyński war in Polen vor der Katastrophe eine sehr umstrittene Person. Er wollte für die nächste Amtszeit kandidieren. Laut den Umfragen war er aber chancenlos. Es war klar, dass er nicht wiedergewählt werden würde. Meine Zeitung gehört zum Lager der liberalen Zeitungen und wir hatten verschiedene Streitpunkte mit dem Lager des Präsidenten. Die Auseinandersetzungen waren manchmal sehr heftig – oder sagen wir: Wir waren nicht befreundet. Als Kaczyński starb, hat zunächst niemand über Politik gesprochen. Es war dann nicht mehr wichtig, dass er umstritten war. Die sehr kritischen Medien versuchten die positiven Seiten seiner Amtszeit zu zeigen. Es gibt eine Maxime in Latein, dass man über Tote nur das Gute sagen soll. Das haben alle Medien gemacht.
Nach den ersten vier Tagen wurden die Berichte leider politischer. Dann wurde der Nachfolger von Lech Kaczyński gesucht. Es war nicht sicher, ob es sein Bruder oder irgendjemand anderes wird. Es wurden auch einige Verschwörungstheorien veröffentlicht und es gab einen Streit über den Ort seines Begräbnisses. Er wurde dann in Wawel, im Schloss von Krakau beerdigt. Das ist der Ort an dem polnische Könige und Nationalhelden begraben sind. Diese politischen Streitigkeiten hätten in der Berichterstattung vermutlich vermieden werden können. Mißtrauen gab es in die Berichterstattung aber nicht. Man kann sagen, dass die polnischen Medien während der Trauerzeit einig und sehr angemessen waren. Man hat sich darum gekümmert, ein positives und objektives Bild vom Präsidenten zu zeichnen. Die zweite Seite seiner Persönlichkeit stand im Hintergrund.
Problematisch fand ich, dass sich ein Teil der Medien nur auf Lech Kaczyński selbst fokussiert hat. Er war aber nicht der Einzige, der bei dem Flugzeugabsturz starb. Das finde ich falsch. Das war auch eine Tragödie für viele andere polnische Familien und Städte, die ihre besten Söhne , Töchter und Abgeordneten verloren haben. Meine Zeitung hat sich sehr viel Mühe gegeben, auch über die anderen Persönlichkeiten aus dem Senat, vom Militär und von der Nationalbank zu berichten. Immerhin waren sie die Elite des Landes. Das darf man nicht vergessen.
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