Ãœberblick
- Am Freitag entscheidet die Medienkommission über eine Vorlage der Landesanstalt für Medien NRW über elf UKW-Frequenzen im Land. Darin wird Metropol FM favorisiert. Das Domradio ist auch im Gespräch.
- Die Betreiber der NRW-Lokalradios möchten die Frequenzen für ihr Jugendradio „deinfm“ nutzen.
- Um künftig wirtschaftlich überleben zu können, fordern sie „Waffengleichheit“ mit dem WDR.
- Knackpunkt ist die nationale Werbung, von der besonders Senderfamilien profitieren: Während der WDR mit drei Programmen (1LIVE, WDR 2 und WDR 4) viele Menschen erreichen kann, müssen die Lokalradios dies mit einem Programm schaffen. Deswegen fordern sie zumindest eine weitere Welle.
Interview mit Sven Thölen, Geschäftsführer „deinfm“:
In diesem Jahr ist eigentlich ein Jubiläumsjahr. 25 Jahre Lokalfunk in NRW. Doch so richtig ist der Szene nicht nach Feiern. Strategische Posten wackeln oder sind unbesetzt. Einige Sendergruppen drohen den Vertrag mit dem Rahmenprogrammdienstleister Radio NRW zu kündigen und ziehen die Ansage wieder zurück, so erzählt man sich. In den einzelnen Redaktionen der 45 Lokalradios ist von diesen Spannungen selten etwas zu spüren. Bis zum vergangenen April habe ich noch bei Antenne Düsseldorf gearbeitet, bevor ich innerhalb der Mediengruppe an den Newsdesk der Rheinischen Post gewechselt bin.
Seit Jahren liebäugeln die Betreiber der Lokalradios mit einem landesweiten Jugendradio. „deinfm“ gehört zu dem guten Dutzend Bewerbern um die elf freien Frequenzen. So ganz hat sich mir das Bestreben der Lokalradios bisher nicht erschlossen. Warum noch eine weitere Baustelle?
In dieser Woche hat der Verband der Veranstaltergemeinschaften zusammen mit den Betreibern von „deinfm“ (die von den unterschiedlichen Betriebsgesellschaften mehr oder weniger stark gestellt bzw. unterstützt werden) zu einer Pressekonferenz eingeladen. Die Botschaft: „Frequenzvergabe gefährdet Existenz des Lokalfunk“. Gut, Klappern gehört zum Geschäft. Aber taucht man etwas in die strategische Ausrichtung von Senderfamilien und die Funktionsweise des Werbemarkts ein, wird klar, dass „deinfm“ ein wichtiger Grundpfeiler einer fundierten Zukunftsstrategie der Lokalradios ist. Wenn die Medienkommission über die elf Frequenzen entscheidet, sehen die Betreiber der Lokalradios darin je nach Ausgang ein Bekenntnis zum Hörfunkmarkt in NRW. Ein Einblick in das wirkliche Problem lohnt sich also.
Die Entscheidung
Die Medienkommission NRW ist ein staatsfernes Gremium, welches aus Mitgliedern gesellschaftlich relevanter Gruppen besteht. Die Landesanstalt für Medien NRW koordiniert die Vergabe der elf UKW-Frequenzen. Es gibt zwölf Bewerber, die 13 Hörfunkprogramme vorgeschlagen haben. Mittlerweile hat sich aber ein Bewerber zurückgezogen. Die Medienkommission kann nicht frei aus diesen Bewerbern wählen, sondern über eine Vorlage der LfM abstimmen. Am kommenden Freitag (23. Januar) kann die Kommission darüber abstimmen, ob „Metropol FM“ den Zuschlag bekommt, ein Programm vorwiegend auf Türkisch. Auch das Domradio soll einige Befürworter haben.
Beide Sender würden die bestehende Rundfunklandschaft inhaltlich ergänzen. Lediglich mit dem „Funkhaus Europa“ vom WDR sehe ich inhaltliche Ãœberschneidungen. Allerdings kann dies auch als eine eindimensionale Betrachtung gesehen werden.
Dazu Fritz-Joachim Kock, Vorsitzender des Verbands Lokaler Rundfunk in NRW (VLR):
„Bei dieser Vergabe geht es um mehr als die Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Sender. Hier stehe die Zukunft des Lokalfunks auf dem Spiel. Ich setze mich dafür ein, dass es auch weiterhin eine unabhängige lokale Berichtersattung in NRW geben wird. Die Alternative wäre ein Programm, in dem die Menschen aus der Region und das Bedürfnis nach Informationen aus ihrem unmittelbaren Umfeld zunehmend weniger Berücksichtigung finden.“
Das Problem
Warum sehen die Lokalradios sich in ihrer kompletten Existenz bedroht, wenn sie nicht den Zuschlag der Frequenzen erhalten?
Werfen wir einen Blick auf den Werbemarkt. Es gibt Einnahmen aus lokaler, regionaler und nationaler Werbung. Je nach Region sind die lokalen Einnahmen traditionell stärker oder schwächer. Die nationale Werbung ist deswegen schon immer ein wichtiger Grundpfeiler gewesen, um in allen Regionen von NRW Lokalradio anbieten zu können – auch wenn sich dies wirtschaftlich mit lokaler Werbung nicht lohnen würde.
Nur: Die Lokalradios haben derzeit ein Problem mit der nationalen Werbung.
Jan-Uwe Brinkmann, Geschäftsführer von „deinfm“ und von der Betriebsgesellschaft HSG Köln (u. A. Radio Köln):
„Bisher hat der Lokalfunk solide gewirtschaftet. Doch bis zum Jahr 2017 werden sich die finanziellen Einnahmen des Lokalfunks aus der nationalen Werbung im Vergleich zu 2007 nahezu halbieren. Die meisten unserer Lokalradiostation rutschen so in die roten Zahlen. Diesem Szenario würde die LfM mit einem klaren Bekenntnis zum Lokalfunk etwas entgegensetzen.“
Das Problem für den NRW-Lokalfunk ist der WDR. Die Kuchenstücke des nationalen Werbemarkts werden für den WDR größer, die für den Lokalfunk kleiner. Das hat nicht etwas mit dem Erfolg einzelner Sender zu tun, sondern mit dem Erfolg von Senderfamilien. Der WDR darf in drei Programmen Werbung veranstalten. 1LIVE, WDR 2 und WDR 4. Seit einigen Jahren können wir beobachten, wie die Profile der Sender geschärft werden, um unterschiedliche, aber möglichst große Zielgruppen anzusprechen. In der durchschnittlichen Stunde erreichen Werbetreibende, die die WDR-Gruppe buchen, 1,5 Millionen Hörer. Bei den NRW-Lokalradios sind es 900.000 Hörer.
Jan-Uwe Brinkmann:
„Der WDR arbeitet deutlich marktorientierter. Die Programme werden boulevardesker und entwortet. Das Mittagsmagazin von vor 20 Jahren ist heute auf WDR 2 nicht wiederzuerkennen. Der NRW-Lokalfunk darf auf dem nationalen Werbemarkt nicht bedeutungslos werden. Wir stehen zum dualen System aus öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Privatfunk. Wir fordern aber Waffengleichheit. Der Markt wird vom WDR dicht gemacht. Diese Chance haben wir nicht.“
Die NRW-Lokalradios haben nur einen Sender, der in die Rechnung einfliessen kann. Das Lokalradio muss nach aktuellem Stand so viele Hörer erreichen, wie 1LIVE, WDR 2 und WDR 4 zusammen – das ist schwierig. Sie wünschen sich deswegen eine eigene Senderfamilie, um wenigstens mit zwei Programmen dem WDR auf Augenhöhe begegnen zu können. Hier kommt das Jugendradio „deinfm“ ins Spiel. 60.000 Hörer sollen damit mittelfristig erreicht werden.
Der Appell an die Mitglieder der Medienkommission, dieses Branchenproblem in die Entscheidung mit einfliessen zu lassen, ist für mich nachvollziehbar.
Wenn sich ein Medium ordentlich mit dem Tagesgeschäft und der schnell fortschreitenden Digitalisierung auseinandersetzt, hat es schon genug zu tun. Wenn noch selbstgemachte Probleme hinzukommen, ist das eine Herausforderung, die selten gemeistert wird. Am Freitag könnte eine weitere hinzukommen.
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