Wir müssen noch mal über Sperrfristen reden. Nach der gestrigen Grimme Online Award Panne haben wir wieder gesehen, dass Online und Sperrfristen einfach nicht zusammen passen. Ich finde aber, wir sollten, von der Panne losgelöst, nocheinmal darüber reden. Thomas Knüwer hat sich natürlich über die Panne aufgeregt. In den Kommentaren hat Journalist Jörg Schieb (u.A. WDR) reagiert, hier ein Ausschnitt:
für alle nicht-journalisten unter den lesern: sperrfristen sind deshalb sinnvoll und nötig, weil es eben nicht nur elektronische medien und onlinemedien gibt, die mehr oder weniger direkt reagieren können, sondern eben auch print-kollegen, und die müssen eine meldung nunmal möglichst früh bekommen, um sie dann noch ins blatt heben zu können. das ist auch beim handelsblatt nicht anders. sollte man nicht verschweigen. 😉 von daher sind sperrfristen weder verlogen, noch ungewöhnlich oder unzeitgemäß.ich würde allerdings zustimmen, dass man sich vorabmeldungen bei einer preisverleihung verkneifen sollte. wie bei den „richtigen“ grimmepreisen. denn das zerstört in der tat die spannung.
Sperrfristen gibt es also für die Zeitungskollegen. Und das ist der falsche Ansatz. Im Prinzip bekommen die Zeitungskollegen hier einen falschen Vorsprung. Sperrfristen machen Sinn, wenn Behörden zum Beispiel Notfalleinsätze proben möchten oder Alarmsysteme testen; um diese Proben nicht zu gefährden ist journalistische Diskretion wichtig.
Aber für alle anderen Bereiche gleicht eine Sperrfrist nichts anderes, als zusätzlicher heißer Luft. Wenn eine Veranstaltung am Abend stattfindet und die Kollegen berichten, wie ist dann der normale Gang der Dinge? Ein Onliner verschickt schnell seinen Text und schon eine Stunde später ist ein erster Text im Netz; eine weitere Stunde später vielleicht eine ausführlichere Version. Ein Radiomensch sammelt seine Töne, fährt in den Sender und wenn das Ereignis überhaupt in den Weltnachrichten auftaucht, dann ist es auch noch am gleichen Abend auf dem Sender. Hat es Regionalbezug, wird es in den Nachrichten erst am nächsten Morgen gesendet. Das Programmstück gibt es auch erst am nächsten Morgen. Die Fernsehkollegen können auch nur für den nächsten Tag produzieren, es sei denn es hat die Tragweite in einem Nachtjournal platziert zu werden; wenn es ein wöchentliches Fernsehmagazin ist, liegt das Material sogar noch länger auf der Platte. Haben die Printkollegen ihre Druckdeadline verpasst, steht es halt erst einen Tag später in der Zeitung. Durch eine Sperrfrist profitiert die Zeitung, weil sie schon direkt am nächsten Tag berichten kann - dafür wird aber womöglich jegliche Spannung genommen.
Wenn man sich in Zeiten von Online die Risiken anschaut, ist das ungerecht. Warum auch der Zeitungs-Vorteil gegenüber Radio und Fernsehen? Die bekommen ihre Reaktionstöne auch erst am Abend. Zeitungsleser wissen sehr gut, dass am Abend irgendwann „Druckschluß“ ist und sie wissen auch, dass andere Medien schneller informieren. Ich glaube, darum geht es aber Zeitungslesern gar nicht. Sie wollen lieber Hintergründe. Und was die Spannung angeht: Ein bisschen Spannung schadet doch nie, oder? Dann macht das Berichten auch mehr Spaß.
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