Ein kleiner Podcasttipp: Gestern Abend lief Folge 431 von „Was mit Medien“ bei DRadioWissen. Thomas Knüwer (Foto rechts) war zu Gast um mit uns über die Digital-Trends des Jahres zu sprechen, die den größten Einfluss auf die Medienszene 2016 haben werden. Aber wir sprachen natürlich auch über Köln und die folgende Berichterstattung.
Die Kritik: Einige Medien reagierten zu langsam, einige zu extrem. Aus 1000 Feiernden wurden 1000 Täter, wie Focus Online und ein Stern-Tweet vermuten ließen. Augenzeugenberichte wurden sich zu eigen gemacht – wie in einem Tagesthemen-Kommentar gesehen. Aus den Vergewaltigungs-Anzeigen bei der Polizei wurden von den Medien schnell zu Tatsachen gemacht. Wir haben Thomas gefragt, ob die Medien, die eh schon mit Glaubwürdigkeitsproblemen zu kämpfen haben, nicht falsch reagiert haben? Haben sie nicht vielleicht am Ende den Lügenpressevorwurf bedient?
Ich glaube am Ende nicht und sehe das auch anders als viele andere. Am Tag danach hat die Polizei gesagt: Da war nix. So sehr wir die Medien mögen: Sie können nicht an jeder Ecke in einer Silvesternacht Journalisten stellen. Es ist inzwischen schon ritualisiert, dass die Medien sich selbst für alles kritisieren. Das ist auch nicht die richtige Entwicklung. Knüwer
Er nimmt die Medien weiter in Schutz:
Wie die Medien derzeit berichten, machen sie es falsch. Wenn sie warten bis sie Fakten haben, dann bekommen sie einen drüber. Wenn sie zu schnell berichten, dann gibt es auch einen drüber. Das ist auch eine Reaktion darauf, dass wir im vergangenen Jahr in Deutschland eine Entwicklung erlebt haben: Das Wachstum sehr rechter journalistischer Angebote, die genau mit solchen Methoden spielen. Dazu gehört definitiv auch der Cicero, der sich fast schon auf der linken Seite dieser rechten Medien befindet. Dazu gehören aber auch Seiten wie die Deutschen Wirtschafts Nachrichten und das Angebot des ehemaligen WirtschaftsWochen-Chefredakteurs Roland Tichy das ist inzwischen ein Sammelbecken dieser Halb-Verschwörungstheoretiker, die dann auch gerne mal die AfD wählen würden. Wir erleben gerade ein Abbild, dass die anderen Medien gerade versuchen auf diese Entwicklung zu reagieren, weil sie Angst haben, von diesen Medien einen drüber zu bekommen. Das ist gefährlich. Knüwer
Eine ehrliche Diskussion könnte der Ausweg sein:
Die Nicht-Rechten-Medien sind komplett verunsichert. In den vergangenen Jahren ist viel zu wenig diskutiert worden, was Journalismus eigentlich ausmacht. Stattdessen hat man sich in dieser Medienblase immer gesagt, dass wir in Deutschland die besten Medien der Welt haben. Haben wir nicht. Wir müssen selbstbewusst über die Qualitätsdefizite diskutieren. Wir müssen aber auch darüber reden, was sich ändern muss. Knüwer
Den Diskussionsauftrag nehmen wir doch gerne in diesem Jahr in unserer Sendung auf. Ihr könnt die Sendung komplett direkt online nachhören bei DRadioWissen.de. Der Podcast als RSS oder direkt bei iTunes oder direkt als MP3.
Wirtschaftswurm meint
Es ist ja sicher richtig, dass die Medien jetzt nicht gleich nach einer Pressemitteilung „Alles war ruhig“ das schlimmste vermuten müssen. Die zeitliche Verzögerung ist also entschuldbar. Dann gab es aber viele Augenzeugenberichte auf Facebook, da hätte die überregionale Presse schon aufmerksam werden sollen. Immerhin wird sonst ja jeder Facebook-Shitstorm in den Medien breitgetreten. Dann gab es auch Berichte im Kölner Express. Aber der erste, der das außerhalb Kölns zum Thema machte, war dann Roland Tichy auf seiner Seite. Ich meine, was Roland Tichy kann, sollten SPON, FAZ, Süddeutsche usw. doch erst recht können.
Typ meint
„Aber der erste, der das außerhalb Kölns zum Thema machte, war dann Roland Tichy auf seiner Seite.“
Ne, Roland Tichy hat nicht das zum Thema gemacht, sondern das Thema entsprechend seiner politischen Agenda in den Vorwurf umgemünzt, andere Medien würden das Thema „verschweigen“.
Und viel zu viele Medienvertreter haben dann seine Lesart -„Die Presse verschweigt uns etwas“- uungeprüft übernommen.
Damals, so ca. 2013, als wir noch in der Lage waren, Agenda von Sachinformation vor Kommentierung zu unterscheiden, wäre das auch den traditionellen Medienvertretern aufgefallen. Aber seit damals sind wir rechts irgendwie blind geworden. Daran sind bestimmt auch die Vertriebenen und Flüchtlinge schuld, gell?
„Ich muss mich immer so über Ausländer aufregen, dass ich schon garkeine Zeit mehr habe, Roland Tichy zu hinterfragen.“