Stephan Engelkamp ist ein Kollege von Radio Q und er ist zur Zeit in Kambodscha. Regelmässig schreibt er E-Mails und berichtet von dem Land, was nicht in Afrika liegt (Hallo Deutsche, aufgepasst 😉 ). In dieser Woche hat er etwas über ein Problem, was verharmlost „Landnahme reicher Unternehmer“ bezeichnet werden kann. Doch lest, was er schreibt:
Eigentlich kennt Kambodscha ja nur zwei Jahreszeiten – trocken und nass! Aber nach der Regenzeit von Juni bis Oktober kuehlt es sich in der Regel etwas ab. Das ist in diesem Jahr aber offensichtlich nicht der Fall. Ausserdem gab es diesmal auch nur wenig Regen, zu wenig fuer die naechste Reisernte. Die Regierung befuerchtet bereits, dass 2005 der Reis nicht ausreichen wird und hat schon vorsorglich die internationale Gemeinschaft um Hilfe gebeten. Dies ist aber offenbar im Gesundheitsministerium nicht angekommen. Zitat eines Sprechers des Ministeriums: „Wir haben kein Problem mit der naechsten Ernte. Wenn die Nahrung knapp wird, koennen die Menschen ja weniger essen. Das ist auch ganz gut fuer ihre Gesundheit.“ Das letzte Mal als jemand aehnliche Ratschlaege gab („Esst doch Kuchen, wenn ihr kein Brot habt!?“) war es der Beginn der Franzoesischen Revolution…
Soweit wird es in Kambodscha wohl nicht kommen, aber man merkt doch, dass es brodelt. Die Bauern, traditionell Unterstuetzer der Regierungspartei, sind unzufrieden. Teil des Problems koennte die „Landnahme“ einiger reicher Unternehmer sein. Ein netter Begriff fuer Enteignung, Korruption und systematische Verarmung der Bauern. Es funktioniert folgendermassen:
Aufgrund des jahrzehntelangen Buergerkriegs gibt es praktisch keine Unterlagen darueber, wem welches Stueck Land gehoert. Ein Katasterwesen existiert nicht. Zu Zeiten des Sozialismus gehoerte einfach alles Land dem Staat. Vor ein paar Jahren hat nun die Regierung ein Gesetz erlassen, wonach jeder, der fuenf Jahre lang auf seinem Land lebt, automatisch dessen Eigentuemer wird. Nun gibt es allerdings einige steinreiche Unternehmer mit guten Beziehungen in die politische Chefetage, die sich bei Regierungsbeamten falsche Besitzpapiere ausstellen lassen und dann lokale Militaerchefs anheuern, um die eigentlichen Eigentuemer zu vertreiben. Wenn die sich beschweren, was sie tun, koennen die Geschaeftemacher auf ihre
(falschen) Dokumente verweisen, die Bauern koennen in der Regel nicht mal lesen, geschweige denn, dass sie amtliche Dokumente besaessen! Das passiert zur Zeit in ganz Kambodscha.
In Phnom Penh kommt es regelmaessig zu kleineren Demonstrationen, in Pursat haben Bodyguards einer Firma, die gerade mal Landrechte fuer 180.000 Hektar
(!) erworben hat, eine Handgranate in eine Gruppe Demonstranten geworfen, waehrend die Polizei, die die Demonstration bewachen sollte, kurz mal nach Hause gegangen ist. Sieben Schwerverletzte. Letzte Woche schliesslich hat sich ein 60-jaehriger Bauer vor dem Haus des Premierministers selbst verbrandt. Es brodelt, aber ehrlich gesagt, als Auslaender bekommt man davon direkt fast nichts mit. Aber da ich ja im Moment viele Menschenrechtsgruppen befrage, die hier arbeiten, merke ich, dass sich das zu einem echten Problem auswachsen koennte. Alle Gruppen erzaehlen jedenfalls die gleichen Geschichten aus allen Provinzen…
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