Ich war ja höchst skeptisch. Mitten in der Abflughalle am Düsseldorfer Flughafen sollte der vierte Webmontag stattfinden. Das Handelsblatt und die Mediadesign Hochschule haben diesmal das b2b-Handelsblatt-Café als Location ausgewählt: Zwei Tresen, vier Bildschirmsäulen mit riesigen Logos, ein paar Stehhocker und gratis Getränke; das alles zwischen Lufthansa Late-Night-Check-in und Air Berlin Gepäckaufgabe.
Meine Befürchtung: Werden sich die 90 angemeldeten Besucher wie Zooobjekte fühlen? Wie die Flokes und Knuts dieser Welt, wenn um sie herum wichtige Businessmenschen ihren letzten Flieger nach München bekommen möchten und Tante Annelie und Onkel Jochen gerade von ihrem zehntägigen Teneriffatrip zurückkommen? Großzügig wurde das b2b-Café abgesperrt und gefühlt sind wirklich alle nach Lohausen gekommen – ein wenig DLD-Feeling kam wegen der Fülle auf. Kurios wurde es, als Tim und Julius die Gäste vom Treppenaufgang kanzelartig begrüßten. (Im Laufe des Abends fungierte der Aufgang als Spiegelreflexkanzel. Ich war irritiert, durch die vielen Webmenschen, die Fotos von diesem Event machten. Das war fast wie auf einer Podcastveranstaltung, wenn Podcaster sich gegenseitig interviewen. Sind digitale Spiegelreflexkameras die neuen Spielzeuge der Digitalisten?)
Erschreckend kurzweilig war die Veranstaltung. Zunächst gab es vier Kurzvorträge, die alle innerhalb der Zeit blieben – ein Wunder, niemand übertragt die 10 Minuten-Grenze! Vom Thema hat mich die Web-Trend-Forschung in China sehr interessiert. Diplomant Konstantin Weiss sprach über seine Arbeit. Dabei redete er leider mehr über die Methodik, als über die Ergebnisse. Daniel Schaffeld und Roland Schweins führten für mich den Begriff vertikale Community ein – sie präsentierten styleranking, ein fancy Projekt für „fashion victims“. Beruhigend fand ich die folgenden Ergänzungen von Lorenz Lorenz-Meyer. Er berichtete einige Eindrücke, wie junge Chinesen trotz Zensur selbstverständlich mit dem Internet umgehen (gewisse Themen/Motive seien halt tabu, es ist alltäglich mehrere Chatidentitäten zu haben und Journalisten haben keine „Angst“ vor Blogs – die würden eher fragen, wieviele Blogs sie selber zu führen haben) – außerdem wähnt er in den ganzen neuen, frischen, fancy Communitys eine Blase. Seien die Community auch noch so vertikal: Ohne eine gewisse kritische Masse funktionieren die Webgemeinschaften nicht. Ich glaube: Es liegt da etwas unausgesprochenes in der Luft der Webwelt. Keiner traut es sich auszusprechen: Wozu brauchen wir das alles überhaupt?!
Lorenz-Meyer nahm an der folgenden Diskussion teil, die mir außerordentlich gut gefallen hat. Auch mit dabei, Linda Breitlauch (erste Gamedesign-Professorin Europas), Professor Oliver Wrede und Siggi Becker (Grimmepreisträger). In Zeiten von 23andMe und Datenschutz war das Thema sehr gut gesetzt: Sind wir am Ende der sorgenfreien Entwicklung der Vernetzung angekommen? Die Themen Netz-Identität und Schutz der Daten werde ich mir künftig noch strenger im Blick behalten. Die Diskussion verging (Achtung: Location-Wortwitz) wie im Flug. Nach kurzen 60 Minuten nehme ich zwei Dinge mit: Wir haben hier in Deutschland außerordentlich nette, informative und bodenständige Professoren, die sich mit Online- und Neue-Medien beschäftigen. Elfenbeintum adé. Nur: Joachim Jakobs hat mich gar nicht gepackt. Der Pressesprecher der Free Software Foundation Europe hatte ganz wichtige Themen anzusprechen, nur wirkte er auf mich so verbissen und unentspannt; so bat er um Handzeichen und stellte dabei eine rhetorische Frage, deren Anfang von der Zielgruppe am Ende vergessen wurde. Schade.
Ganz fein, fand ich den Webmontag – vielen Dank an die Organisatoren. Viele Bilder wird es bestimmt im Laufe der nächsten Tage im Web zu sehen geben. Die b2b-Lounge hat mir als Ort am Ende doch sehr gut gefallen. Ein ungewöhnlicher Ort zwar, aber darin liegt doch der Reiz. Wer wollte, konnte sich dann auch noch das kostenlose Flughafenmagazin mitnehmen. Bleibt mir nur ein Wunsch: Vielleicht können nicht nur hübsche Schlüsselanhänger verteilt werden, sondern auch Kärtchen, auf die jeder noch seinen Namen schreiben kann. Dann klappt es auch mit dem Socializen. Die Skepsis war umsonst.
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