Ich habe letzte Nacht Post bekommen.
Hallo Herr Fiene,
erinnern Sie sich noch an diesen Artikel? http://x – aus der turbulenten Anfangszeit des Projekts X? Könnten Sie vielleicht zufällig bei diesem artikel auf den Delete-Button kommen? Muss ja nicht jedes Skandälchen auf ewig im Internet stehen, oder?
viele Grüße
X
Jetzt frage ich mich: Darf man das Internet löschen? Wahrscheinlich merkt es niemand, wenn das Artikelchen verschwindet. Wahrscheinlich verschwinden tägliche viele Artikel oder Blogtexte. Das habe ich bisher noch nicht bemerkt.
Einerseits ist das Projekt zwar mit Anfangsschwierigkeiten gestartet, läuft jetzt aber super – ich bin sogar zum Fan geworden. Warum soll man googelnde Journalisten, potentielle Arbeitgeber oder neugierige Projektpartner auf die inzwischen falsche Fährte locken? Anderseits, „darf“ ich die Geschichte verwischen, verwässern oder gar verändern? Ich schreibe ja nicht, dass der Start super war, aber der Historiker in mir sträubt sich, den „Delete“-Knopf zu drücken.
Ich kann mich irgendwie nicht entscheiden.
Jan meint
Was im Internet steht wird da auch fuer immer stehen. Das muss man einfach verstehen. Selbst wenn Du es loescht, wird es davon schon ca. 100 Kopien. Diese uebung ist also sinnfrei (frei uebersetzt :).
Siehe http://www.archive.org/, Google Cache, Usenet, uvm.
Selbst wenn es technisch moeglich waere, wuerde sich der Historiker in mir auch straeuben. Gluecklicherweise muss man sich mit diesem Dilemma nicht beschaeftigen, weil es einfach nicht geht.
Gruesse,
Jan
—
Frank meint
Ich lösche nur sehr widerwillig und in einzelnen Sonderfällen. Zum Beispiel hat mich mal ein Bekannter darum gebeten seinen Namen aus einem Beitrag zu entfernen, da er gerne seine Spuren im Internet beseitigen wollte. Ich hielt das für ziemlich unsinnig. Da jedoch sein Name in keinerlei wichtigem oder geschichtsträchtigen Kontext stand und auch sonst keine Sinnverfremdung des Beitrags durch verändern das Nachnamens von Huber in H. stattfand, wars mir recht egal.
Um was es bei Deinem Beispiel jetzt genau ging ist ja nicht erkennbar, allerdings würde ich grundsätzlich eher keine kritischen Beiträge über irgendwelche Projekte löschen – schon gar nicht wenn das ganze auch in irgend einer Form von Interesse für andere ist. Warum auch, wenn’s wahr war/ist.
Jan meint
„…wird es davon … Kopien geben“.
Frank meint
@Jan: so ganz richtig ist das nicht. Im Google Cache liegt so eine Seite nich für immer und auch archive.org hat eine Removal/Exclusion Policy (http://www2.sims.berkeley.edu/research/conferences/aps/removal-policy.html) die ich zugegebenermaßen nur oberflächlich kenne und daher die Schwierigkeit eigene Inhalte dort entfernen zu lassen nicht beurteilen kann.
Schwer und Aufwändig ist es sicherlich allemal. Nicht umsonst gibt’s Firmen die sowas als Dienstleistung anbieten.
Die Bine meint
Der Historiker in dir hat vollkommen Recht!
Was wäre, wenn wir Geschehnisse aus der Geschichte „deleten“ würden?
Z.B. den Aspekt Kulturrevolution aus dem China-Kapitel des Geschichtsbuches streichen würden?
Wir würden das kulturelle Gedächtnis manipulieren – zu dem das Internet inzwischen einen erheblichen Beitrag leistet.
Und wenn das Unternehmen, oder das Projekt zu seinen „Startschwierigkeiten“ keine Stellung beziehen will (wozu das Internet ein erhebliches Forum bietet), dann sollte es ins www-befreite 19. Jahrhundert auswandern 🙂
Arne meint
Ich empfehle zu diesem Thema die sehr interessante Keynote, die Viktor Mayer-Schönberger auf der diesjährigen re:publica gehalten hat:
http://re-publica.de/08/2008/05/15/die-videos-der-republica08/
daniel meint
@Jan – außerdem kommt hinzu, dass viele, die es nicht lesen sollten, gar nicht die Kompetenz haben, sich Infos aus den Archiven zu ziehen. Wenn eine Information nicht oder nicht mehr zu finden ist, werden viele gar nicht weitere Forschungen anstellen. Profis machen das natürlich – aber nicht die Masse.