Er hat das Design der schönsten Tageszeitungen in Deutschland gemacht – Lukas Kircher (s. Foto): Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, FTD, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, oder u.A. auch die Welt Kompakt. Seit einigen Tagen gehört auch die Taz zu seinen Referenzen. Wir haben am Donnerstag in Was mit Medien über diesen Zeitungsrelaunch zum 30jährigen Bestehen der Taz mit dem Editorial Designer gesprochen. Er hat uns erklärt, wie so ein Zeitungsrelaunch funktioniert. Das Interview könnt ihr hören oder hier in der Transkription nachlesen.
Daniel: Guten Abend, Herr Kircher!
Lukas Kircher: Guten Abend.
Daniel: Das neue Taz-Design ist jetz ein paar Tage alt – können Sie das überhaupt noch nach der ganzen Arbeit sehen?
Lukas Kircher: Oh ja. Wir werden das noch eine lange Zeit sehen, weil das noch ein Prozess ist, der noch nicht abgeschlossen ist.
Herr Pähler: Wir wollen ja heute erklären, wir das mit einem neuen Zeitungsdesign funktioniert. Wie müssen wir uns das denn vorstellen – am Anfang bekommen Sie ja irgendwie den Auftrag – haben Sie da einfach einen Anruf bekommen und da wurde gesagt ‚Herr Kircher, machen Sie uns doch mal eben die Taz neu!‘ – oder wie funktioniert das genau?
Lukas Kircher: Also das ist ein sehr intimer Prozess, weil die Redaktion natürlich ganz eigene Vorstellung hat, wie sie ihre Zeitung weiterentwickeln möchte. Deswegen ist es das Wichtigste, dass man sich am Anfang mit der Chefredaktion und mit der Redaktion trifft. Da tastet man sich ab. Versteht man sich? Man fragt sich, ‚ist das nur ein durchgeknallter Designer, den wir nicht verstehen!‘ und auch umgekehrt ‚Haben wir ein Gefühl dafür, was die überhaupt wollen, wie die sich in den nächsten Jahren entwickeln wollen?‘. Wenn dieser Test geklappt hat und man sich irgendwie lieb hat, dann geht es in die nächste Phase und versucht herauszufinden, wie sich die Zeitung entwickeln soll.
Daniel: Was wurde Ihnen denn gesagt, wie die Vorstellungen an das neue Design sind? Ist das ganz konkret, dass gesagt wird ‚wir wollen das Rot jetzt noch roter haben‘ oder was wurde Ihnen konkret gesagt?
Lukas Kircher: Die Taz war ja früher ein optisch sehr rebellisches Blatt. Das war eine Mischung aus normaler Zeitung und hatte auch ein bisschen einen Boulevardtouch – mit großen, schreienden Fotos und negativen Headlines drin. Man hatte das Gefühl, dass die Haltung der Taz auch in das Design hineingeschwappt ist, und umgekehrt. Die Taz ist mit ihren Themen ein bisschen im Mainstream angekommen – im positiven Sinne. Die Themen, die der Taz immer wichtig waren, damit müssen sich inzwischen auch die Lenker und Leiter im politischen und unternehmerischen Establishment herumschlagen. Vor 20 Jahren hatten die noch keine Corporate-Responsibility-Berichte auf ihrem Tisch herumliegen. Inzwischen müssen sie sich mit alle möglichem Kram beschäftigen, der sehr Taz-nahe ist. Das heißt: Die Taz wird für Entscheider immer wichtiger von den Themen her.
Daniel: Das heißt – zum 30-Jährigen ist die Taz etwas erwachsener geworden …
Lukas Kircher: Die Taz ist absolut erwachsener geworden. Sagen wir mal so: Die Taz is sich immer treu geblieben, aber die Welt ist ein Stückchen vernünftiger geworden. Das heißt: Grüne Themen, viele andere Themen, die die Taz schon immer verfochten hat – vielleicht heute etwas zivilisierter als früher – aber für die sie immer stand – sind jetzt politisch mehrheitsfährig geworden. Politisch, gesellschaftlich und auch in der Wirtschaft werden das immer wichtigere Themen. Die Welt ist dorthin gerückt, wo die Taz schon immer war. Darum auch ihre lustige Anzeigenkampagne.
Lukas Kircher (links) und Rainer Burkhardt (rechts) führen seit 2002 gemeinsam die Medienagentur KircherBurckhardt in Berlin.
Herr Pähler: Schauen wir uns noch einmal die Arbeit, die so ein Relaunch macht, genauer an. Wieviel Arbeit ist das eigentlich – und wo fangen Sie genau an? Oben links?
Lukas Kircher: Ja – das ist interessant. Erst einmal müssen Sie sich vorstellen: Eine Zeitung ist kein gewönliches Designobjekt. Es geht nicht um Design, sondern um Inhalte. Wie entwickelt man ein graphisches Gerüst, indem sich jeden Tag andere Inhalte tummeln können, ohne dass das irgendwie doof aussieht. Zweitens, was noch viel wichtiger ist: Eine richtige Zeitung ist eigentlich im Besitz ihrer Leser – ihrer langjährigen Leser. Der Verlag besitzt die Zeitung eigentlich nur pro forma. In der Wirklichkeit ist, so die Vorstellung der Leser, die Zeitung ihr Eigentum. Deswegen muß man sehr, sehr vorsichtig mit dem Auftritt und dem Design einer Zeitung umgehen. Das ist ein sehr intimer Eingriff in die tägliche, liebgewonnene Lektüre, die man mit seiner Zeitung verbringt. Das macht das zu einem komplett anderen Designprozess, als wenn man eine Zitronenpresse neu designt oder an einem Kleid herumdoktert. Das ist ein komplett anderes Design. Wir nennen das Editorial Design.
Daniel: Sie haben ja schon beschrieben, wie wichtig es ist, dass die Inhalte in dem Design aufgehen, und dass das ein Prozess ist. Ich habe ein Interview mit einem Taz-Redakteur gehört, indem er über diesen Relaunch sprach. Er meinte, es sei extrem viel diskutiert worden. Da dachte ich: Das ist ja typisch für die Taz, dass viele mitreden. War das schwieriger als bei anderen Projekten? Von wegen Basisdemokratie, die man von der Taz kennt …
Lukas Kircher: Das war, was die Abstimmung betrifft, mit Sicherheit das wundersamste Projekte, dass ich je hatte. Das ist tatsächlich so, dass alle mitreden. Das hat aber auch sein Gutes. Wir haben ja zum Beispiel bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung eine ähnliche Situation. Das gibt es fünf Herausgeber und keinen Chefredakteur. Auch dort gibt es eine leicht demokratische Verafahrensweise. Das ist nicht immer das Schlechteste, weil Argumente und das Für und Wider noch einmal abgewogen werden. Manchmal ist das aber auch sehr, sehr anstrengend.
Herr Pähler: Jetzt haben Sie selbst von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesprochen. Warum sieht eigentlich die FAZ aus, wie die FAZ – und die Taz, wie die Taz. Was muß man bei dem Design der Zeitung beachten, um der jeweiligen Zeitung gerecht zu werden?
Lukas Kircher: Man muß ein Design schaffen, dass auf der einen Seite ganz viele funktionale Aspekte berücksichtigt. In den letzten fünf bis zehn Jahren haben sich die Lesegewohnheiten ganz stark verändert – auch unter dem Druck der neuen Medien. Auf der anderen Seite formen Sie aber mit Editorial Design ein bisschen den Charakter mit oder schälen den Character der Redaktion, und wie sie sich positioniert, stärker heraus. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung oder die FAZ sind natürlich in einer ganz anderen publizistischen Position und möchten das auch ausstrahlen. Sie möchten auch ein bisschen ihre Leser auch permanent potentiel leicht überfordern – dann fühlt sich der typische FAZ-Leser auch richtig wohl. Während die Taz auch einen ganz anderen Drive hat, den man auch mit diesem Design untermauern muß. Das ist auch ein bisschen wie Character Building. Das wichtigste sind natürlich die Inhalte, aber man kann als Designer helfen das stärker herauszuschärfen.
Herr Pähler: Zum Schluß möchten wir Sie bitten, etwas selbstkritisch zu sein. Was finden Sie denn am neuen Taz-Design am Besten und was vielleicht auch am Schlechtesten, was Sie auch ein bisschen nervt?
Lukas Kircher: Was ganz schlimm ist, ist die Typografie. Das liegt einfach daran, dass wir die endgültige Typografie noch nicht drinnen haben. Das ist technischen Problemen geschuldet. Was mir ausnehmend gefällt, ist dass wir auch schon ein bisschen sehen können, dass wir jetzt die Taz auch für breitere Interessensgruppen geöffnet haben, die auch so eine Art Qualitätszeitungsnorm auch suchen und sich da auch zu Hause fühlen. Da sehen wir, dass die Taz in diese Richtung einen Schritt gegangen ist. Das wird im Laufe dieses Jahres das Beste daran sein.
Daniel: Herr Kircher, Danke für die Einblicke in Ihre Arbeit.
Lukar Kircher: Herzlichen Dank auch.
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