In Print-Medienmagazinen überblättere ich eigentlich immer die Seite mit den Personalien: Die hier ist aber über-spannend! Wulf Schmiese ist das neue Gesicht beim ZDF-Morgenmagazin. Schmiese war bisher weder ARD- oder ZDF-Redakteur, noch sonstiger Auslandsstudioleiter. Schmiese ist eigentlich Printmann. Und genau deswegen hat er den Job bekommen. 2001 gehörte er zur Gründungsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Seit 2007 war er politischer Korrespondent der FAZ. Sein politisches Profil hat ihn empfohlen und so holte ihn das ZDF für das Morgenmagazin. Über seine erste Fernsehwoche habe ich am Donnerstag mit ihm für Was mit Medien gesprochen. Das Interview wird in der aktuellen Folge 208 gespielt. Für mein Blog habe ich das Gespräch transkribiert.
Daniel Fiene: Herr Schmiese, eigentlich würde ich Sie jetzt um kurz nach 10 Uhr mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ begrüßen, aber da ist es jetzt ja fast angebrachter Ihnen einen „Schönen Feierabend“ zu wünschen, oder?
Wulf Schmiese: Ja unbeding! Ich bin jetzt hier durch und seit 03:15 Uhr wach. Das ist für mich ungewohnt und für andere beginnt jetzt der Tag. Ich kann jetzt nur hoffen, dass ich einen Mittagsschlaf hinbekomme.
Begeben wir uns einmal gedanklich an den Tag nach Ostermontag zurück – der Dienstag war ihr erster Arbeitstag vor der Kamera. Was ging Ihnen in der Früh um 06:59 Uhr alles durch den Kopf?
Da saß ich schon redend hier im Morgenmagazin auf dem Sofa. Kurz vor den Nachrichten trailert man ja immer schon kurz an, was der Tag bringt. Da ging mir dann schon das nächste Thema durch den Kopf und da ist man dann schon recht konzentriert. Vorher war ich natürlich aufgeregt und da dachte ich „komm runter – jetzt mußt du dich hinsetzen und dich konzentrieren und möglichst locker durch die Sendung führen“.
Was ist für Sie die größere Herausforderung? Den Tagesrhythmus von einem Zeitungsmann umzustellen, der ja eigentlich viel später anfängt – oder dann doch die komplexen Geschichten in 1:30 Minuten zu erklären, wofür Sie in der Zeitung bisher eine halbe Seite und viele Nebensätze hatten?
Der Tagesrhythmus ist echt eine Umstellung, zumal sich der Körper nicht so schnell damit abfindet, dass er nachts nicht mehr schlafen soll. Wenn man sich dann abends früh in’s Bett legt, kann man nicht einschlafen – das liegt bestimmt noch an der Anfängeraufregung. Inhaltlich ist der Unterschied tatsächlich, dass man hier in einer Sprechweise formulieren muß. Wenn man sich Moderationen überlegen muß, dann läuft das natürlich ganz anders, als wenn man einen Einstieg für eine Zeitung schreiben würde. Beim Schreiben kann man hier und da noch etwas umformulieren. Hier muß man weniger schreiben und mehr sprechen und das, was man spricht, aufschreiben. Das ist für mich vom Handwerklichen eine Umstellung – und das finde ich spannend.
Da kommt ja noch das Agieren vor der Kamera hinzu. Das ist ja bestimmt auch eine neue Herausforderung. Wie haben Sie das gelernt? Haben da über die Feiertage Proben stattgefunden? Haben Sie da besondere Anweisungen bekommen – wie sah das aus?
Wir haben geprobt. Wir haben fünf Mal eine Sendung kalt gefahren. Als um 09 Uhr die Sendung zu Ende war, blieb das Team und wir haben die Sendung mit meiner Vorbereitung noch einmal gefahren und haben das hinterher dann besprochen. Da gab es dann natürlich viele Hinweise, die mir gänzlich neu waren, da ich noch keine Modeationserfahrung habe. Das fängt damit an, dass die Hände möglichst flach auf dem Tisch liegen sollen – und nicht gekrallt. Das sähe sonst komisch und ablenkend aus. Man soll auch nicht zu sehr mit dem Kopf wanken, wozu ich manchmal etwas neige. Wenn man einen Menschen dreidimensional vor sich hat, dann fällt das nicht auf oder wirkt charmant. Wenn man aber einen Menschen im Fernsehen zweidimensional sieht, dann stört das und ist von der Information ablenkend.
Was für mich neu war: Das sind alles keine eitlen Aspekte. Es geht hier nicht darum, dass wir den eitelsten Gecko zurecht schmiergeln. Es geht darum, dass man die Information rüberbringen will, und dass der Zuschauer sich auf das Inhatliche konzentrieren soll. Der soll möglichst wenig durch eine schief sitzende Krawatte oder einen schwankenden Kopf abgelenkt werden. Das ist für mich noch neu.
Wenn die Süddeutsche-Zeitung in ihrer eigentlich wohlwollenden Kritik schrieb „am Anfang hat er noch die Lockerheit von Edmund Stoiber gehabt“, dann finde ich das eine witzige Beobachtung. Aber es stimmt wirklich: Man ist da im Knie noch nicht so richtig locker, weil man sich noch etwas komisch beobachtet findet. Ich glaube, das kann jeder nachvollziehen, dem man mal gesagt hat „wir filmen jetzt mal, wie du da lang gehst! Geh mal normal da lang“. Ja, wie geht man normal irgendwo lang? Gerade wenn man so eine Ansage bekommen hat, dann findet man sich ziemlich unnormal.
Was auch neu ist: Sie werden viele Interviews mit Politikern führen. Da werden sich die Interviews vom Zeitungsinterview unterscheiden. Wo sehen Sie die größten Unterschiede?
Die Interviews müßen in der Art wie sie geführt werden viel präziser und vielleicht auch provozierender sein. Beim Zeitungsinterview kann man drei oder vier Mal nachfragen, weil man hinterher die Fassung aufschreibt und dann bekommt der Politiker das noch einmal zugeschickt und autorisiert den Text. Das ist in Deutschland der gängige Weg, der auch in Ordnung ist. Das gesprochene Wort aufzuschreiben wäre fürchterlich langweilig. Im Fernsehen hat man diese Möglichkeit nicht. Du kannst nichts streichen. Du kannst nichts zuspitzen. Also mußt du den Politiker schon in der Frage etwas packen.
Ein Beispiel: Wir hatten heute den Bundesinnenminister Thomas de Maizire. Eigentlich wollte der gar nicht groß zu den Guantanamo-Häftlingen sprechen, die Deutschland möglicherweise aufnimmt. Wenn man ihn aber dann fragt „Sie wollen jetzt die Flüchtlinge aufnehmen, sind Sie jetzt der Weichzeichner von Frau Merkel?“, dann muß er natürlich reagieren. Das macht auch Spaß. Du weißt, du hast insgesamt nur vier Minuten und nach der dritten Frage hörst du schon auf dem Ohr „wir müssen gleich raus“. Aber du willst noch Inhalt bekommen, dann geht man forscher vorran.
Man muß aber auch höflich bleiben und darf nicht sagen „Sie haben jetzt aber nicht geantwortet“ – denn man ist Gastegeber. Gerade am Morgen muß man höflich bleiben, da der Zuschauer weniger konzentriert ist, als wenn er abends vor dem Heute-Journal sitzt. Deswegen darf man nicht denken, der Zuschauer hat mitbekommen „die Antwort des Politikers war schwach und da hat der Moderator recht, wenn er jetzt noch mal ruppig nachfasst.“ Man muß die Form wahren, wir sind Gastgeber. Ich bin froh, dass unsere Gäste in die Sendung kommen. Gleichwohl wollen wir es ihnen auch nicht zu einfach machen und eine Plattform bieten. Wir wollen natürlich Inhalt haben.
Das von Ihnen angesprochene Interview mit de Maizire habe ich auch gesehen. Ich fand‘ interessant, dass Sie beide eine interessante Augenhöhe hatten: Sie konnten selbst sagen, dass Sie mit Betroffenen selbst gesprochen haben. Sie gelten ja als politisch gut vernetzt. Ist das ein wesentlicher Aspekt, der Ihre Arbeit beim Morgenmagazin ausmachen wird?
Ja, ich glaube es kann nicht schaden, dass ich im Erfahrungsrucksack einiges mitgebracht habe, was ich in den letzten zehn Jahren bei der FAZ beruflich gemacht habe. Ich war als erster deutscher Printmann während des Krieges in Afghanistan und reiste häufig mit Politikern, den verschiedenen Außenministern und auch mal mit der Kanzlerin dorthin. Da haben wir natürlich Gespräche mit Polizisten und Ausbildern geführt und haben Inhalte vermittelt bekommen. Das hilft jetzt, wenn ich mit Politikern spreche, die ich schon aus meiner Printzeit kenne. Denn die wissen, dass ich weiß, dass sie nicht die volle Wahrheit sagen, wenn sie sagen „die Polizeiausbildung in Afghanistan läuft ganz wunderbar“. Nein, denn wir waren dabei und haben auch mit den Ausbildern gesprochen. Das ist ein Vorteil. So kann ich auch inhaltlich Einfluß nehmen und sagen der Gast ist für Morgen besser geeignet als jender.
Welche inhaltliche Entwicklung würde dem Morgenmagazin denn gut tun?
So eine Frage ist immer etwas schwierig, weil man mit jeder “nderung, eigentlich das Bisherige schlecht machen würde. Das ist nicht der Fall. Ich glaube es gibt im Fernsehen keine andere Sendung, die so viele unterschiedliche politische Inhalte setzt, wie das Morgenmagazin. Politisch, im weitesten Sinne. Wir haben heute über Sarkozy, Guantanamo und die Mißbrauchsfälle gesprochen. Wir haben sehr viele Themen gesetzt und von daher wäre es unfair zu sagen, das ganze muß politischer werden. Was sich aber vielleicht ändern kann, ist, dass man sich vielleicht mehr einbringt und nicht mehr nur der Talking-Head ist, der die Texte runterspricht die andere vorbereitet haben, sondern dass man Teil des Teams ist, Teil der Vorbereitung und gemeinsam überlegt, wie man dieses oder jenes Thema setzen kann.
Ist das nicht vielleicht auch das Anchor-Prinzip, dass man aus verschiedenen US-Nachrichtenmagazinen kennt?
Ich kenne zu wenig den Hintergrund der Anchormen in Amerika, und inwieweit die sich einbringen. Die Idee des ZDF-Morgenmagazins ist es auch schon in den letzten Jahren gewesen, dass die Sendung, wie in den USA die News-Morningshows, mit Anchormen besetzt ist, und dass die Leute die Sendung wie Radio hören können. Es soll mehr Magazin und weniger Show sein. Der Showaspekt im Morgenmagazin ist das MoMa-Café in der letzten halben Stunde. Das ist sozusagen die Chill-Out-Zone. In diesem Rahmen, der oft durch eine Band untermauert wird, soll es trotzdem ernsthafte Gespräche geben. Morgen werden wir dort zum Beispiel Richard von Weizsäcker als Gast haben. Das finde ich toll. Wenn ein Politiker zu ernsthaften Themen spricht, sitzt er mitten in dem Volk, das ihn wählt oder nicht wählt. Der Aspekt, dass man ernstes und unterhaltsames miteinander verflechten kann, ist das echte Leben. Politiker unterhalten sich natürlich über irgendwelche Bands die sie gut finden. Die Musiker unterhalten sich genauso über Politik. Das ist ein Nebeneinander, das den Aufbau der Sendung symbolisiert.
Herr Schmiese, jetzt wünsche ich Ihnen aber wirklich einen schönen Feierabend. Vielen Dank für das Gespräch.
Vielen Dank, Herr Fiene.
Jens meint
Bis zur gestrigen „heute show“ kannte ich Herrn Schmiese nicht. Und wenn ich mir überlege, was dort so gesendet bzw. gesagt wurde – dann weiß ich, dass ich nicht unbedingt was verpasst habe.