Da ist man echt ein wenig stolz. In diesem Monat feiert mein Sender Antenne Düsseldorf sein 20-jähriges Jubiläum. Ein Fünftel der Zeit bin ich jetzt auch schon dabei. Wir haben mit unseren Hörern kräftig gefeiert und sie bei einem Tag der offenem Tür durch unsere Redaktion geführt. Was ich bei diesen Gelegenheiten immer wieder bemerkenswert finde: Wie wichtig Antenne Düsseldorf unseren Hörern ist. Bei all den Diskussionen um den Medienwandel zwischen Print und Online vergißt man, welche emotionale Bindung zum Radio vorhanden ist.
Das Radio ist der Begleiter schlechthin. Das zeigen die Zahlen der Forscher, die eigenen Beobachtungen bei Freunden. Aktuelle Branchendiskussionen lassen das aber komplett außer acht. Immerhin: Es gibt nicht wenige Moderatoren, die in einer Stadt mehr Zuhörer als Thomas Gottschalk Zuschauer bei „Wetten dass..?“ haben (siehe Interview mit John Ment). Ich habe mir in den letzten Tagen immer wieder Gedanken gemacht, wie denn Radio in 20 Jahren aussieht. Das kann ich natürlich nicht genau sagen, aber ich habe gewisse Erwartungen an das Medium:
– Das Radio der Zukunft ist überall. Sender müssen da hin gehen, wo die Leute Audio erwarten. Das heißt aber auch, dass der Sender auf den wichtigsten digitalen Plattformen zu finden sein muss. Mit dem Einsatz der richtigen Standards lässt sich dies mit wenig Aufwand realisieren. Warum ist das nötig? Das ist wie im richtigen Leben: Wir erwarten nicht, dass der Hörer in ein Radiozimmer geht, um dort in Ruhe Radio zu hören. Das Radio ist dort, wo der Hörer ist. Es gibt ein Gerät im Bad, in der Küche und im Auto. Online müssen Sender dort sein, wo die Hörer sich befinden. Wenn die Hörer die meiste Zeit bei Facebook sind, muss dort der Sender sein. Es reicht nicht, ein virtuelles „Radiozimmer“ in Form einer Homepage einzurichten.
– Das Radio der Zukunft ist nicht allein. Sender werden immer stärker in Netzwerken arbeiten. Es wird mehr und größere Senderfamilien geben. Das hat nicht nur wirtschaftliche Gründe: Es macht keinen Sinn, dass bestimmte Aufgaben mehrfach durchgeführt werden. Die Radiomacher vor Ort können durch Aufgabenteilung sich auf die Profilschärfung im eigenen Sendegebiet kümmern. Denn es wird immer schwieriger das eigene Alleinstellungsmerkmal zu präsentieren, da immer mehr Medienangebote vorhanden sind. Sind Sender von einigen Aufgaben entlastet, können sie sich auf das Alleinstellungsmerkmal konzentrieren.
– Das Radio der Zukunft netzwerkt vertikal. Es wird immer weniger Sender geben, die das Vollprogramm selbst bestreiten. Die Aufgaben werden innerhalb des Sendernetzwerks verteilt. Die Kinokritiken kommen von Sender A, die Wirtschaftsberichte von Sender B und gleiches gilt für Nachrichten, wenn die nicht eh schon zugeliefert werden. Diese Entwicklung gibt es ja schon seit Jahren, die wird sich aber noch weiter fortsetzen.
– Das Radio der Zukunft ist hyper-lokal. Je unübersichtlicher die Welt wird, um so mehr wollen die Menschen auch wissen, was vor der eigenen Haustür passiert. Das können Radiosender besonders gut. Jochen Wegners Vergleich der Online-Welt mit der —kologie des Regenwaldes passt auch auf die Radio-Welt (siehe These 11): Es werden Über-Sender überleben, aber vor allem auch kleine Lokalsender. Sender für ganze Regionen oder Bundesländer werden es schwer haben: Was interessiert den Bauern im Münsterland, was die Bürger einer rheinischen Kreisstadt auf die Straße treibt?
– Das Radio der Zukunft ist ein soziales Medium. Das ist es eigentlich schon jetzt so und schon immer so gewesen. Besonders Radiojournalisten können mit Hörerinteraktion umgehen. Kollegen aus anderen Bereichen lernen dies gerade mit viel Mühe. Wir müssen uns aber bemühen die Augenhöhe zum Hörer zu behalten. Schließlich hat der Hörer immer neue Möglichkeiten, seine Meinung zu teilen. Da dürfen wir nicht den Anschluss verlieren.
– Das Radio der Zukunft schottet sich nicht ab. Nennen wir es den Facebook-Effekt. Auch Radiomacher sind neidisch, wie es Facebook geschafft hat, so viele Menschen an sich zu binden. Falsch wäre die Frage „wie kann ich auch so eine Community um mein Radio aufbauen?“ Mark Zuckerberg würde sagen: Geht nicht! Seiner Meinung nach kann man keine Community schaffen, sondern nur bestehende anreichern. Als Radiomacher muss ich mich fragen: Welchen Service kann ich meinen Hörern bieten, damit sie zu mir kommen? Bei Facebook war es eine elegantere Struktur für Gemeinschaften. Radiosender können auch Struktur bieten.
– Das Radio der Zukunft ist ein Lebensstream. Der Wunsch nach „Anbindung“ an das Leben wird immer stärker. Nicht nur am Morgen wollen die Hörer einen Guide durch den Alltag, sondern am ganzen Tag. Die „Li(f/v)estreams“ in Twitter und Facebook, bestehend aus vielen Kurznachrichten, zeigen direkt was in diesem Moment passiert, was wichtig ist und was man nicht verpassen darf. Daran haben sich schon viele gewöhnt – die Erwartungshaltung an das Radio steigt. Diese Aufgabe wird demnach für das Liveradio immer wichtiger. Kürzer und öfter. Lange Hörstücke verschwinden aber nicht, werden aber im Podcasting und On-Demand-Bereich eine Heimat finden (siehe unser Experiment „Crossmedia einmal anders herum„).
– Das Radio der Zukunft ist personalisierbar. Keine Sorge: Kein Hörer wird (oder besser gesagt muß) sein eigener Programmdirektor sein. Empfehlungs- und Bewertungssysteme werden persönliche Streams anbieten, die ich überall hören kann. Das betrifft nicht nur die Musik, sondern auch die Inhalte.
Robert meint
– Das Radio der Zukunft nutzt jede Technik – ausser einer: DAB.
daniel meint
Absolutly Right!
Freako meint
Als Kino kam – dachte man Radio stirbt, als TV kam, war es ja klar… dann kam Video (irgend ein Lied?)
Für alles gute – ist immer Platz – auch für Print.
Wolfgang Ferencak meint
Hätte gerne heute morgen mit dir und Inge das Thema persönlich in der Tutzinger Bibliothek erörtert 🙁
Hier ein paar Gedanken meinerseits:
zu 1 Radio ist überall
eine profane Erkenntnis die unwiedersprochen bleibt, hier würde mich jedoch die Umsetzung z.B. bei Facebook interessieren, reden wir hier von physikalischer Präsenz in Form von Streams oder Podcasts oder von Nutzung der social media Channels als zusätzliche Form der Hörerbindung? Das erste wird kaum zu realisieren sein (lasse mich gerne belehren) das zweite findet mehr oder weniger gut schon statt. Weitere Optionen würden mich interessieren, was geht da?
zu 2 Radio ist in Zukunft nicht allein:
Ein frommer Wunsch den die Gesellschafter der Sender schon lange hegen, hier steht dem jedoch eine restriktive Lizenz und Medienpolitik der Aufsichtsbehörden und des Gesetzgebers entgegen. Solange sich da nichts ändert, und es wird eher schlimmer, siehe Isarrunde als Rundfunk tolle Idee, ist dieser Gedanke nur philosophisch. Immer von Deutschland sprechend.
zu3 Radio ist hyperlokal:
siehe oben zu 2
zu 4 Radio d.Z ist ein soziales Medium
auch nicht unbedingt neu, diese Aufgabe hatten wir schon immer.
zu 5 Das Radio der Zukunft schottet sich nicht ab
Ja nee is klar 😉 auch hier ist mir die These zu schwammig, sorry. Das sind keine neuen Erkenntnisse die sturkurierende Wirkung von Radio hat das Rheingold Institut bereits vor drei oder vier Jahren auf den Lokalfunktagen in Nbg. in einer Studie konstatiert. Das es nicht darum gehen kann eine Community parallel zu FB zu etablieren ist klar. Was schwebt dir vor von du von Struktur sprichst? Übrigens Radio bindet weit mehr Menschen als Facebook die täglichen Radiohörer/nutzer gehen weltweit in die Milliarden (techn. Verfügbarkeit vorausgesetzt ca. 70-80% der Bevölkerung) FB hat laut eigenen Angaben 500 Mio. Nutzer also da muß Herr Zuckerberg noch nachlegen 😉
zu 6 Das Radio der Zukunft ist ein Lebensstream:
Hier bin ich fast vollständig bei dir. Allerdings wäre die Forderung öter und kürzer noch praktisch auszuarbeiten. Auch die on Demand Nutzung ist diskutabel, zumindest als Ersatz für Lifemoderation, als Ergänzung zwingend. Das Experiment werde ich mir mal in Ruhe anschauen, bin schon gespannt.
zu 7 Das Radio der Zukunft ist personalisierbar
Auch hier muß ich Skepsis verbreiten. Begründung, die Entwicklung der personalisierbaren Audioangebote ist schon jetzt rückläufig!!! Dies ist auch keine Frage von digital Natives oder Alter oder Musikaffinität, sondern schlicht einem menschlischen Urtrieb „der Faulheit“ geschuldet. Egal welches Emphelungmanagment wie komfortabel der Zugrif auf personalisierbare Angebote wird, das Gros der Mensche will und wird sich nicht mit der Konfektionierung eines Musikprogramms oder gar von Informationscontent abgeben weil es Zeit UND Aufmerksamkeit erfordert egal wie „perfekt“ das Angebot sein mag.
Deiner Conclusio kann ich voll zustimmen, ich hätte mir nur bezüglich der Thesen etwas mehr konkrete Anregungen gewünscht. Freue mich auf deine Antwort.
Gruß
Wolfgang Ferencak
Wolfgang Ferencak meint
Muss mich bezüglich Punkt 1 Verfügbarkeit in Facebook korrigieren, das geht, hat mit mein Partner bei MS-One erklärt 😉 OK aber selbst ich als FB Nutzer und regelmäßiger Besucher der MS-One Fanpage habe dieses feature noch nie bemerkt und by the way warum??? Meine favorisierten Radiosender sind im player gefaved.
Gruß
Wolfgang
Wolfgang Ferencak meint
Habe mir übrigens bereits vor 10 Jahren ebenfalls ein paar Gedanken über die Zukunft des Radios gemacht, der Text ist von 2001 mit ein paar Ergänzungen vor 5 Jahren Radio Gedanken: http://bit.ly/c7qv2b via @addthis