In den letzten 18 Monaten hat das Interesse an Facebook- und Twitter-Erfahrungen im Radiobereich extrem an Fahrt aufgenommen. Immer häufiger tauschen sich Sender untereinander aus. Auch bei Antenne Düsseldorf bekommen wir viele Anfragen und ich schaue mir gerne an was andere Sender treiben. Auf dem Medienforum NRW konnte ich vor gut einem Monat bei einem Workshop erklären, was wir durch unsere Social-Media-Aktivitäten hinzugelernt haben. Ich habe 10 Punkte vorgestellt, die unsere Redaktion im Umgang mit Facebook und Twitter erfahren hat. Da es nicht so viel Sinn macht, einfach meine Folien zu veröffentlichen, gibt es hier in meinem Blog noch einmal die ausformulierte Netzversion.
1.) Überprüfe stets, was deine Social-Media-Aktivitäten bringen.
Wir reden in der Radiobranche gerade sehr viel über Facebook. Das ist auf der einen Seite wichtig, auf der anderen Seite darf nicht der Eindruck entstehen, dass wir uns nur noch um Facebook kümmern. Im Alltag sieht es dann auch etwas anders aus: Im Tagesablauf nimmt die Facebook-Pflege nur wenig Zeit in Anspruch. Die Last ist auf viele Schultern verteilt und viele ältere Aufgaben sind weggefallen. Es findet viel weniger E-Mail-Kommunikation mit Hörern statt. Die hat sich auf Facebook verlagert. Hörer schicken seltener ihre Fragen, da sie unsere Antworten lesen konnten, die wir anderen Hörern auf Facebook öffentlich geschrieben haben.
Trotzdem schauen wir regelmässig, wieviele Hörer tatsächlich unser Facebook-Angebot nutzen. Deswegen beobachten wir intensiv meine NRW-Facebook-Charts, aber auch die Insights unserer Antenne-Facebook-Seite. Dort finde ich zwei Beobachtungen spannend: Die demographischen Angaben der Facebook-Nutzer decken sich mit den Angaben, die wir über unsere Hörer kennen. In einem Monat haben wir rund 1.5 Millionen Views auf Facebook. Das heißt: Obwohl wir „nur“ 9.000 Fans haben, werden die Inhalte rund 1.5 Millionen Mal angezeigt. Ich schätze: Diese Kontakte dürften in einem geringen Prozentsatz auch dazu geführt haben, das Radioprogramm einzuschalten. (Leider gibt es hier noch keine Marktforschung, das würde ich mir sehr wünschen!)
2.) Erzähle Geschichten – wie im Radio.
Wenn ich Nachrichten wie die hier lese „Boah – ist Ihnen heute auch so heiß? Und dann ist noch Freitag! Hab gar keine Lust zu arbeiten! IHRE (Hier, lustigen Nickname einfügen)“ wundere ich mich gar nicht, wenn auf der Facebook-Wand des Senders von Hörereseite nicht viel passiert. Zwar funktionieren ab und an Wetter- und leichte Themen gut, allerdings wird Belanglosigkeit von Hörern bestraft. Sie blenden den Sender aus ihrer Timeline aus oder entfolgen den Sender gar komplett. Von daher: Nerve nicht! Aber:
3.) Texte nicht wie im Radio, sondern wie in einer Mail.
Einige Moderatoren teasen auf Facebook, wie in einem Radioteaser. Beispiele wie diese funktionieren aber nicht so gut, wie wir festgestellt haben: „Hallo – ich bin (Hier Super-Moderatoren-Namen einfügen)! Bei mir geht es heute um die Parkplätze am Supermarkt, die sollen wegfallen.Das regt einen doch auf, oder?!“ Bei uns gilt die Regel: Jeder, der eine Facebook-Nachricht veröffentlicht setzt seinen Namen unter den Text. Personalisierung ist wichtig, aber das wie zählt auch. Die Kollegen, die zuvor ihren Namen zu Beginn und jetzt am Ende der Nachricht posteten, erhalten jetzt mehr Feedback. Was die Hörer auch freut: Wenn sie Antworten vom Sender erhalten. Sobald jemand etwas auf unsere Pinnwand schreibt, versuchen wir zu antworten – sei es nur ein „Danke“. Das bauchpinselt nicht nur den Hörer, sondern beeindruckt die vielen anderen Mitleser.
4.) Folge deinen Followern zurück und ignoriere sie nicht.
Dieser Punkt betrifft Twitter: Viele Radiosender folgen nur wenigen bis gar keinen anderen Twitter-Nutzern zurück. Unser Tipp: Folgt euren Twitter-Followern zurück, sofern es sich um echte Personen oder gar Personen aus dem Sendegebiet handelt. Das freut die Nutzer und schafft Links auf unser Twitter-Profil, sodass deren Freunde auch auf uns Aufmerksam werden.
5.) Überfordere deine Follower nicht.
Während Twitter viele Kurznachrichten pro Tag verträgt, ist das bei Facebook ganz anders. Wir haben für uns die Hand-Regel aufgestellt: Wir schreiben pro Tag nur so viele Facebook-Updates, wie wir sie an einer Hand abzählen können. Das kann bis zu fünf Postings bedeuten. Für einige ist dies bereits zu viel, aber hier geht für uns eine Mischkalkulation auf. Schreiben wir mehr als fünf Postings, ist die Absprungrate extrem hoch. Schreiben wir weniger also drei Postings, ist insgesamt die Rückmeldungsquote geringer. An Tagen, an denen wir relativ viel auf Facebook posten, gibt es insgesamt mehr Reaktionen und die Zahl der neuen Freunde fällt höher aus.
6.) Gilt auch im Social-Web: Sei der beste Freund deines Hörers.
Anbiedern funktioniert auf Facebook und Twitter genauso wenig wie im Radio. Da helfen auch keine Lock-Gewinnspiele. Wo wir schon beim Thema sind: Facebook-Seiten-Betreiber sollten sich mit den Gewinnspielregeln von Facebook vertraut machen. Wir führen keine Gewinnspiele direkt auf Facebook durch, da dies die Regeln zunächst so nicht vorsehen. Wir verlinken deswegen höchstens Gewinnspiele auf unserer eigenen Webseite. Auch sollte man einen Plan in der Schublade haben, wie man mit Kritikern oder Trittbrettfahrern umgeht. Unsere interne Formel: Lösche (wenn möglich) nicht, und reagiere schnell und auf Augenhöhe!
7.) Sei konsequent, was den Takt angeht.
Es nützt nichts, ein Profil in einem Sozialen-Netzwerk zu starten und es dann nur sporadisch zu nutzen. Bei Facebook haben wir deswegen zwei feste Postings pro Tag (Morgens eine Nachrichtenzusammenfassung und abends die Wettervorhersage für den nächsten Tag), der Rest ergibt sich aus dem Programm. Da wir keine Kapazitäten haben, einen persönlichen Twitter-Stream zu pflegen, lassen wir automatisch unsere Nachrichtenschlagzeilen veröffentlichen. So ist auch Regelmäßigkeit gegeben.
8.) Sei konsequent, was Verlinkungen angeht.
Facebook ist nicht nur ein Werkzeug, welches Material und Meinungen für Moderationen liefert, sondern welches ein wichtiger Zugangskanal für unsere Homepage ist. Immer mehr Besucher kommen direkt über Facebook. Wir haben die Regel: Kein Posting ohne Link zur Homepage. Wenn Moderatoren ein Thema ankündigen und nach einer Meinung fragen, verlinken wir immer unser Webradio. Schließlich ist das Hauptziel, dass unser Radioprogramm gehört wird! Twitter hingegen ist für uns weniger ein Kommunikationsmedium, sondern mehr ein Updateticker für unsere Homepage. Jeder 9. Besucher der Lokalnachrichtenwebseite kommt über Twitter. Diese Besucher möchten wir nicht missen. 5 – 10 Prozent unserer Homepage-Besucher kommen über Facebook & Twitter. Überregionale Printmedien nennen 3 – 5 Prozent als Zahl. Was wir auf unserer Seite beobachten: Google-Besucher schauen sich im Schnitt zwei Seiten an. Facebook-Besucher bleiben länger und schauen sich im Schnitt drei Seiten an.
9.) Vergiss nicht, wo am Ende des Tages das Geld verdient wird.
Von daher noch einmal die Frage: Ist der Webstream gut verlinkt? Ist die Webseite gut verlinkt?
10.) Überprüfe stets, was deine Social-Media-Aktivitäten bringen.
Wir schauen mindestens einmal im Monat, wie die Zahlen hinter der Facebook-Seite aussehen und wie die Nutzer auf unsere Aktivitäten reagieren. Ich denke, es darf noch viel experimentiert werden.
Was ich spannend finde: Besonders Lokalradios können viele Hörer auf Facebook binden! In der jüngsten Ausagbe meiner NRW-Facebook-Charts habe ich zum ersten Mal den Facebook-Quotienten ausgerechnet. Im Mittel haben die NRW-Sender 8 Prozent ihrer Hörer der durchschnittlichen Stunde als Fan gewinnen können (einen ähnlichen Wert hat der Webradiomonitor von Goldmedia errechnet, der zur gleichen Zeit erschienen ist). Radio Wuppertal sogar jeden dritten Hörer und Antenne Düsseldorf jeden vierten Hörer. Mich würde von der Forschung interessieren, was das über das Identifikationspotential zwischen Hörer und Sender aussagt. Wo ich mir aber sicher bin: Lokalradios bieten auf Facebook einen Anker zu dem, was vor der Haustüre der Nutzer passiert. Auch das möchten die Facebook-Nutzer in ihrer digitalen Lebenswelt abgebildet wissen. Es gibt keine bessere Werbung für das Medium Radio.
Michael meint
Sehr spannend und inhaltsreich! Was die letzte Frage angeht: ich schätze mal, daß man nicht immer Radio hören kann, das Radio aber die einzige zuverlässige Quelle für Events vor Ort ist. Das Echtzeit- unter den Massenmedien 😉 Und weil viele lokale Radiomoderatoren auch vor Ort unterwegs sind, kennt man sie, was die Kommunikation erleichtert.
wolfgang sabisch meint
Hallo Herr Fiene,
gefällt mir sehr, was Sie zum Thema zusammengetragen haben.
Daraus lassen sich sehr gut Hinweise auch an unsere Studenten erarbeiten.
Beste Grüße!
Wolfgang Sabisch