Wenn ihr demnächst um 18 Uhr euer Radio einschaltet, gibt es keine Programme- und Nachrichten mehr aus eurer Stadt. Der Grund: Die NRW-Lokalradios sollen in der Zeit von 18-20 Uhr Platz für den Bürgerfunk machen. Zumindest ist das die Idee einiger NRW-Medienpolitiker. Vor allem die Grünen treiben die Idee nach vorne, wenn es derzeit um die Novellierung des Landesmediengesetzes geht. Darum soll es auch heute im Medienausschuss des Landtags um 11:30 Uhr gehen. (Hingergründe gibt es beim DJV NRW)
Was würde das für Antenne Düsseldorf bedeuten? Das kann ich nur aus meiner persönlichen Sicht schildern. So müsste für die von mir moderierte „Sendung mit dem Internet“ ein neuer Sendeplatz gefunden werden. Sie läuft bisher montags 18 bis 20 Uhr. Das wäre aber das kleinste Problem, denn die Sendung hatte zu ihrem Sendestart auch einen späteren Sendeplatz. Viel stärker ins Gewicht fallen meiner Meinung nach der Wegfall der Lokalnachrichten, lokalen Verkehrsinfos und die Werbeflächen.
Die Bürgerfunker führen gerne an, dass in dieser Zeit sowieso kein lokales Programm gefahren wird. Das stimmt einfach nicht. Sie bräuchten nur einmal in Düsseldorf ihr Lokalradio einschalten. Natürlich gibt es bei den rund 45 Lokalradios auch Sender, die zu dieser Zeit nicht senden. Aber das hat immer etwas mit wirtschaftlicher Kraft des Senders und Bedürfnissen des Sendegebietes zu tun. In Düsseldorf leisten wir uns mit der „Sendung mit dem Internet“ ein monothematisches Magazin, wie es im Privatfunk selten ist. Zudem gibt es seit Jahren bekannte Werbesendungen (wie die Sendung der Rheinbahn oder die der Düsseldorfer Wirtschaft), die zum finanziellen Erfolg des Senders beitragen. Zudem gibt es in den zwei Stunden noch Flächen für lokale Werbung sowie lokale Nachrichten und Verkehrsinfos.
Vor mehreren Jahren hat Antenne Düsseldorf die Lokalnachrichten ausgeweitet, sodass sie auch um 18:30 Uhr und 19:30 Uhr zu hören sind. Dies war enorm wichtig, um weg vom 90er-Jahre-Lokalradio-Image zu kommen und sich zum modernen Informationsmedium der Stadt zu verändern. Wie die Quotenentwicklung der letzten Jahre zeigt: Das hat sehr gut geklappt. Durch die Ausweitung können wir dem sich verändernden Nutzungsverhalten in der Großstadt gerecht werden. Es wird später in den Tag gestartet und länger gearbeitet. Entsprechend ist die zweite Rush-Hour, in der die Radionutzung extrem wichtig ist, nicht um 18 Uhr beendet, sondern dauert bis 20 Uhr an. Der Sender bietet von 06:30 bis 19:30 Uhr durchgehende lokale Nachrichten mit lokalen Wetter- und Verkehrsinhalten.
Künftig um 18 Uhr den lokalen Betrieb einstellen zu müssen, kommt für viele Lokalradios einer inhaltlichen und wirtschaftlichen Katastrophe gleich. Ganz ehrlich: Schon heute gibt es viele externe Faktoren, die den Betrieb von Medien herausfordern und belasten. Ich frage mich: Warum sollten wir uns jetzt noch selbstgemachte Probleme um den Hals binden (lassen)?
Das Problem des Bürgerfunks
Das Problem was ich vor allem habe: Das Team hat in den vergangenen Jahren wirklich seine Hausaufgaben und viele Gedanken gemacht, wie es den sich verändernden Bedürfnissen der Hörer gerecht wird. Dazu gehört in der weltweiten Informationsflut vor der Haustüre zu filtern und im Zusammenspiel mit dem Internet eine optimale Verbreitung der Inhalte zu ermöglichen.
Ich würde die Forderung des Bürgerfunks ernster nehmen, wenn ich Bestrebungen wahrnehmen würde, sich auch weiter zu entwickeln. Bürger die etwas zur Meinungsvielfalt in der öffentlichen Debatte beitragen wollen, habe ich in den letzten Jahren aber ausschließlich über das Netz wahrgenommen und nicht über den Bürgerfunk. Ich empfinde sogar, dass sich der Bürgerfunk dem Internet konsequent verweigert. Dabei könnten die Macher durch einen geschickten Einsatz simpler Methoden eine viel stärkere Wirkung ihrer Inhalte erreichen.
Dabei bin ich selbst ein Kind der Bürgermedien. Ich habe als Schüler meine Kurs-Scheine beim Offenen-TV-Kanal in Münster gemacht. Ich bin total dankbar für die Einrichtung der Campusradios. Dort haben wir nicht nur viel über die journalistische Arbeit gelernt, sondern auch über die Verantwortung eigenverantwortlich eine Rundfunkfrequenz im Live-Modus zu betreiben. So war/ist diese Infrastruktur wichtig, damit sich zum Beispiel unser Medienmagazin „Was mit Medien“ überhaupt etablieren konnte. Eine gewisse Verbreitung und Relevanz (Wahrnehmung in der öffentlichen Diskussion) haben wir aber erst über das Netz als Podcast erfahren.
Gerade spezialisierte Inhalte brauchen im modernen Medien-Alltag die Kombination mit dem Netz. Die Bürgerfunk-Formate sind inhaltlich sehr kleinteilig. Aus meiner Erfahrung im Kontakt mit unseren Hörern weiß ich, dass kleinteilige Inhalte zur besten Sendezeit keinen Sinn machen. Vor 20 Uhr werden ganz andere Inhalte erwartet.
Wir haben in NRW eine besondere Situation: Im Privatfunk wird hier noch richtiger Journalismus auch außerhalb der Weltnachrichten gemacht. Während in anderen Bundesländern fast ausschließlich Unterhaltungsredaktionen die kurzen Breaks zwischen der Musik planen, gibt es hier noch journalistische Inhalte von vor Ort. Hier hängen viele gute Arbeitsplätze dran. Den wirtschaftlichen Druck wegen den Wünschen der Bürgerfunk-Szene zu erhöhen, mehr gehört zu werden, kann ich schon alleine deswegen nicht verstehen, weil ich in den letzten Jahren keine Bestrebungen festgestellt habe, sich der neuen Medienwirklichkeit zu stellen. Auch Bürgerfunk muss moderner werden – und nicht dadurch, weil man sich mit Hilfe von Gesetzen in ein gemachtes Nest setzt.
Ach übrigens: Die Facebook-Seite „Zukunft Bürgerfunk“ hat über die letzten Jahre ganze 91 Leute gefunden, die auf gefällt mir gedrückt haben.
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