In der kommenden Woche wird der bayerische Medienrat eine wichtige Entscheidung treffen: Der Ausbildungskanal M94.5 verliert im September seine UKW-Frequenz in München und soll in Zukunft als Web- und Digitalradio funken. Künftig darf der Antenne Bayern Ableger Rock Antenne auf der 94.5 senden. In der vergangenen Woche hat der Hörfunkausschuss diese Empfehlung ausgesprochen und damit eine Entscheidung aus dem Weg gebracht, die über die Münchner Medienszene hinaus seit Dezember für Aufregung sorgt. Wer noch einen Funken Hoffnung hat: Medienräte winken die Entscheidungen der Ausschüsse in der Regel durch. Hintergründe gibt es bei der SZ.
Mich ärgert diese Entscheidung. Mich ärgert, dass die M94.5-Macher vor wenigen Wochen eher zufällig von diesem Vorgang erfahren haben. Mich ärgert, dass ich nach viel Lektüre und Gesprächen nur zu dem Schluss kommen kann, dass dies ein abgekartetes medienpolitisches Spiel ist. Mich ärgert, dass die angekündigte finanzielle Unterstützung von Rock Antenne für M94.5 am Ende Kosmetik ist, wie M94.5-Mann Johannes Vogl mir im Interview bei Was mit Medien sagte. Hier zu hören, ab Minute 19.
Nicht alle Argumente von den M94.5-Machern und Fans sind klug. Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie besitzstandswahrend denken, was für mich ausgerechnet bei einem von jungen Menschen betriebenen Sender nicht frei von Ironie ist. Antenne Bayern argumentiert ausgerechnet mit der Konkurrenzsituation zum Bayerischen Rundfunk. Der BR fahre eine so ausgeprägte Flottenstrategie, dass man nur konkurrenzfähig bleibe, wenn man selber sein Angebot als Flotte aufstellen kann. Darüber könnte ich noch viel schreiben, aber zurück zu 94.5. Es ist das gute Recht von Antenne Bayern für die eigene Wirtschaftlichkeit zu kämpfen.
Es geht aus meiner Sicht auch nicht darum, dass Digitalradio schlechter ist, als UKW-Radio. Es geht darum, dass M94.5 nicht einfach von dem einen System in das andere verschoben werden kann. M94.5 ist kein Programm von jungen Leuten für junge Leute, die mal eben das Autoradio ausschalten und dann in Zukunft zu ihrem Smartphone greifen, um das Programm zu hören. Das Programm ist als Ergänzung zur Radiolandschaft im Münchener UKW-Spektrum entstanden. Münchener hören zu. Es ist eine Alternative im dortigen Hörfunkmarkt. Diese Alternative in ein ganz anderes Umfeld zu verpflanzen macht aus strategischer Sicht keinen Sinn. Programme wie Puls vom BR und DRadioWissen sind speziell von Grund auf für das Digitalradio-Umfeld konzipiert worden. Das funktioniert. Aber einen auf UKW abgestimmten Sender in das Digitalradio abschieben? In diesem Fall halte ich das nicht für sonderlich klug.
Dieses Problem kann M94.5 jedoch mit größter Kraftanstrengung lösen. Es muss sich komplett neu erfinden. Das fängt beim Sendernamen an. Neues Umfeld, neue Zielgruppe, neue Möglichkeiten. Für die Macher ist das eine Chance. Mit seinen Herausforderungen zu wachsen hier keine Floskel sondern Programmauftrag. Leider fehlt eine entscheidende riesige Antriebskraft: Die Anerkennung durch deutsche Medien-Entscheider. Über die Jahre ist um M94.5 ein beeindruckendes Alumni-Netzwerk entstanden. Viele Journalisten die uns heute in unserem Medienalltag begegnen, haben ihre ersten Schritte irgendwie bei M94.5 gemacht. Das ist eine ähnliche Schmiede, wie die von mir sehr geschätzte Campusradio-Landschaft in NRW.
Das Problem: UKW hat in den Köpfen von deutschen Medien-Entscheidern einen immer noch viel größeren Stellenwert, als digitale Angebote. Wer die gleiche Arbeit bei einem UKW-Programm macht, bekommt mehr Anerkennung, als für die gleiche Arbeit bei einem digitale Angebot. Das ist die traurige Wahrheit im Jahr 2017. Wenn die Personen, die über Volontariate, Praktika und Anstellungen im Journalismus nicht umdenken, dann wird ohne UKW-Frequenz die Arbeit des M94.5-Nachfolgers aus meiner Sicht drastisch entwertet. Das sagt viel über Medien-Deutschland. Das hätte die Medienpolitik in Bayern stärker berücksichtigen sollen. Eine gute journalistische Ausbildung und ihre Anerkennung ist mir sehr viel Wert. Mit dieser Entscheidung wird eine große Chance verpasst.
(Das Foto stammt von einer M94.5-Pressemitteilung)
DL2MCD meint
> Mich ärgert, dass die M94.5-Macher vor wenigen Wochen eher zufällig von diesem Vorgang erfahren haben.
Das ärgert sicher noch ein paar andere. Nämlich neben allen betroffenen auch noch die, die am liebsten hätten, die M94.5-Macher hätten hiervon wie eigentlich geplant erst nach der Abstimmung das Ergebnis als geschaffene Tatsache erfahren. Dann mit nur 2 Monaten bis zum Abschalten. 🙁
Und das sagt wieder einiges über die Mauschellandschaft München.