Es ist wieder Zeit für See, Steg und intensive Gespräche über das Radio! Bis Mittwochmittag finden die 14. Tutzinger Radiotage an der Akademie für Politische Bildung statt. Dennis Horn und ich dürfen in diesem Jahr wieder dem Talente-Team zur Seite stehen. Sechs junge KollegInnen begleiten crossmedial die Tagung per Blog (radiotage.wasmitmedien.de), Twitter (@radiotage), Instagram (@tutzingerradiotage) und am Donnerstagabend die dieswöchigen Sendung von „Was mit Medien“ (20 Uhr, Deutschlandfunk Nova).
Bei der Eröffnung am Montagnachmittag haben wir uns mit Themen beschäftigt, die eine Herausforderung für alle Medien sind: Empörung und Framing. Hier sind einige Gedanken, die ich mir notiert habe:
Die Macht der Missstimmung. Erregungs-, Empörungs- und Skandalmuster in den Medien von Dr. Hanne Detel (Uni Tübingen).
- Missstimmung kann entstehen, wenn Kontrollverlust droht – wenn Informationen nicht im geschützten Raum geteilt werden. Drei Erklärungsversuche:
- 1.) Der ständig drohende Kontrollverlust. Daten können leichter geteilt oder veröffentlicht werden. Wir wissen nicht, wie diese Informationen benutzt werden („Kollaps der Kontexte“). Der Kontrollverlust kann auf den Ebenen Raum, Zeit, Publikum/—ffentlichkeit, Kultur und Modus geschehen.
- 2.) Die Enthemmung (Online Dishinhibition Effect). Durch (Pseudo-)Anonymität, physische Unsichtbarkeit, asynchrone Kommunikation, Fantasievorstellung der anderen Nutzer.
- 3.) Fünf Krisendiagnosen nach Bernhard Pörksen. 5 Krisendiagnosen:
- Wahrheitskrise: Wahrheitsungewichtung und Fake-News-Panik.
- Diskurskrise: Grenzen des Sagbaren verschieben sich, der Journalismus verliert an Deutungsmacht.
- Autoritätskrise: Politiker und andere Prominente verlieren ihre Vorbildfunktion.
- Behaglichkeitskrise: Lebenswirklichkeiten prallen aufeinander.
- Reputationskrise: Reputation wird zum gefährderten Gut, unabhängig von der gesellschatlichen Macht und dem Grad der Prominenz.
- Was bedeutet das für die Rolle des Journalismus?
- Hanne Detel und Kollegen teilen die Journalisten in drei Kategorien ein: Chronisten, Analytiker und Verstärker (es kann aber auch Überschneidungen geben).
- Einige Medien bedienen sich des Voyeurismus‘ zweiter Ordnung, wenn —ffentlichkeit unter dem Deckmantel der Chronistenpflicht herstellt wird, um (private) Dinge zu veröffentlichen, die gar nicht hätten veröffentlicht werden sollen.
- Skandalmanagement:
- Wie man es nicht macht, hat Nestle 2010 gezeigt: Das Community-Management hat aggresiv und sarkastisch auf Nutzerkommentare reagiert.
- Kategorischer Imperativ des digitalen Zeitalters: „Handele stets so, dass Dir die öffentliche Effekte Deines Handelns langfristig vertretbar erscheinen. Aber rechne damit, dass dies nichts nützt.“
Sprache der Politik — Sprache der Medien. Wie Frames und Narrative unsere Aussagen lenken (Prof. Dr. Friederike Herrmann)
- Unsere Wahrnehmung lässt nur eine Bedeutung zu man kann Bedeutungen schnell wechseln, aber nicht beide gleichzeitig wahrnehmen.
- Frames sind immer mit Emotionen verbunden was sind da schon Fakten.
- Thesen:
- Framing beschreibt Wirklichkeit nicht nur, es erschafft sie. Die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist das Produkt von Frames.
- Die Negierungs-Falle: Frames lösen sich nicht dadurch auf, dass man gegen sie verneint. Im Gegenteil: Die Wiederholung von Frames führt dazu, dass sie sich in den Köpfen verfestigen – selbst wenn man gegen sie argumentiert.
- Frames prägen unbemerkt unser Weltbild. Durch Frames kann unbemerkt Ideologie z.B. in Form von rechtspopulistischen Behauptungen in Sprache und Denken von Medien, Bürgerinnen und Bürgern einfließen. (In der journalistischen Ausbildung fehlt, dass neben dem Fakten-Check auch der Framing-Check gelehrt wird.)
- Man kann nicht nicht framen. (Bei einem Glas Wasser mit 50% Inhalt: Halbvoll oder halbleer? Neutrale Formulierung?)
- Journalisten sind es gewohnt, durch die Politik präsentierte Fakten zu überprüfen. Bei Frames sind sie es nicht gewöhnt. Seehofer fällt schon seit Jahren durch die Benutzung von Frames auf.
- Journalisten sollten Frames beschreiben und erklären, wie sie funktionieren (+ welche vermeintlichen “ngste dahinter stecken), um sich ihrer Deutungsmacht zu entziehen.
Schreibe einen Kommentar