In Deutschland ist der Anteil der Podcast-Hörer*innen unter allen Medienkonsumenten geringer als in den meisten anderen Ländern. Studien, Umfragen und Branchendebatten diskutieren diese Erkenntnis immer wieder. Warum ist das so — und vor allem: Was können Podcaster machen?
Ganz aktuell legt der Reuters Digital News Report den Finger in die Wunde: In allen beforschten Ländern haben 31 Prozent der Befragten in den letzten vier Wochen mindestens einen Podcast gehört (Vorjahr: 29 Prozent). In Deutschland liegt der Wert nur bei 24 Prozent (Vorjahr: 21 Prozent). Mit diesem Anteil landet Deutschland im Report ganz hinten.
Warum der Anteil im internationalen Vergleich geringer ist, kann ich nicht beantworten. Unsere Medienvielfalt und technisches Verständnis gehören meiner Meinung nach aber zu den Gründen.
Ein kleiner Exkurs in ein anderes Kapitel des Digital News Reports: Die Bereitschaft für digitalen Journalismus zu bezahlen. In Deutschland sind 10 Prozent der rund 2000 Befragten bereit, ihre virtuelle Kreditkarte zu zücken. Das sind zwar 2 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr, aber im internationalen Vergleich ist das sehr wenig. In den USA liegt der Anteil bei 20 Prozent, in Norwegen sogar bei 45 Prozent.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Gesamtangebot im Markt und der Bereitschaft zu zahlen:
First, we observe a very high proportion (40% in the US and 50% in the UK) who say that nothing could persuade them to pay. Many of these have low interest in news, or are sufficiently happy with the many free news sources available in these countries. But in Norway, where interest in news tends to be higher – and where free news is more restricted – only 19% say they couldn’t be persuaded.
Digital News Report
In Deutschland haben viele Verlage in den ersten beiden Internet-Jahrzehnten auf Reichweite gesetzt. Die Inhalte waren frei abrufbar. Erst in den letzten Jahren wird mit Plus-Angeboten ernsthaft experimentiert.
Bis die Zahlbereitschaft in Deutschland wächst, braucht es einen langen Atem. Denn: Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es in Deutschland eine vielfältige Medienlandschaft. Wir haben einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, starke überregionale Presse und auch lebendige Lokal- und Regionalangebote. (Ja, ich weiß – die Vielfalt steht unter Druck, aber unter dem Strich ist die hiesige Medienlandschaft immer noch stärker als in anderen Ländern. Aber das ist eine andere Diskussion.)
Den gleichen Effekt sehe ich beim Podcast-Konsum. Deutschland hat eine sehr vielfältige Radiolandschaft. Es gibt bei uns 443 digitale und analoge Radiosender. Auch die Radionutzung ist weiter hoch. Im internationalen Vergleich ist die Dichte an Wort-Programmen ebenfalls höher. Selbst Popwellen bringen bei uns nicht nur Nachrichten, sondern auch Inhalte zwischen der Musik. In vielen anderen Ländern ist der Anteil an Music-Only-Wellen höher. Fazit: Das Bedürfnis an Wort wird bei uns eben auch durch den Radiokonsum gestillt.
Ein weiterer Grund ist: Das Hören von Podcasts ist für Nicht-Kenner*innen immer noch zu kompliziert. Zum Glück gibt es viele Verbesserungen seit der ersten Podcast-Welle vor zehn Jahren. Heute muss man kaum noch die URL eines RSS-Feeds in ein Extra-Programm kopieren, um einen Podcast zu abonnieren. Und wehe man hatte damals vergessen, seinen MP3-Player oder iPod zu synchronisieren, dann gab es unterwegs auch nichts zu hören.
Das Smartphone und bessere Datentarife sorgen heute für einen unkomplizierteren Zugriff auf Podcasts, aber das reicht noch nicht.
Spotify hat der Podcast-Szene einen guten Dienst erwiesen: Wer weiß, wie man Musik auf Spotify hören kann, kommt auch mit Podcasts klar. Aber auch nur innerhalb des Spotify-Universums. Wie Podcasts darüberhinaus funktionieren, lernen die Nutzer*innen nicht.
Vor einiger Zeit beklagte sich ein Journalist bei mir, der einen Podcast für eine junge Zielgruppe macht. Nicht alle öffentlich-rechtliche Sender bieten ihre Podcasts auf Spotify an. Dafür gibt es gute strategische Gründe, die entsprechen aber nicht der Sicht der Hörer*innen.
In der Regel ist das so: Wenn ich von meinem Podcast erzähle, öffnet mein Gegenüber Spotify, sucht den Titel und findet das Angebot nicht. Wenn ich erkläre, wie man den Podcast hören kann, schließt die Person Spotify und das Smartphone verschwindet wieder in der Tasche. „Ich höre Podcasts nur bei Spotify“, höre ich dann oft. Chance vertan.
Ein Podcaster im Gespräch mit mir
Es ist bequem, Podcasts auf Spotify zu hören. Nur: Nicht jeder möglicher Podcast-Hörer kennt und nutzt Streamingangebote wie Spotify. Gerade beim Blick auf ältere Zielgruppen gibt es ein großes Potenzial.
Was können Podcaster also machen?
Zum Beispiel: Neue Podcasts starten.
Wer einen Podcast starten möchte, sollte schauen, ob man ein Thema drauf hat, zu dem es noch keinen Podcast gibt. Wenn es dann auch noch Menschen anspricht, die bisher keine Podcasts hören, dann ist es umso besser.
Maria Lorenz, Podcast-Produzentin bei „Was mit Medien“.
Mir gefällt der Ansatz von Podcast-Produzentin Maria Lorenz, den sie bei einem Besuch bei „Was mit Medien“ äußerte: Neue Themen bieten eine gute Chance, die Gesamthörerschaft zu vergrößern.
Was aber noch wichtiger ist: Wir müssen Podcasts besser erklären.
Der skandinavische Podcast-Hoster Acast verlinkt auf allen Podcast-Seiten einen „How To Listen“-Erklärtext. Ein Beispiel findet ihr bei unserem Goldenen Blogger Podcast, den wir bei Acast hosten.
Podcasts hören ist nicht kompliziert — wenn man es erst einmal verstanden hat. Podcast-Anbieter sollten deswegen viel besser erklären, wie ihre Audios zu hören sind. Mit welchen Apps man Stammhörer werden kann und auch, wie diese zu bedienen sind. Kurze und gut erreichbare Erklärartikel sollten zum Pflichtprogramm gehören.
Ich habe mir auch vorgenommen, in Podcast-Workshops viel stärker auf dieses Thema einzugehen. Ich werde nicht nur stärker erklären, wie man Podcasts hören kann, sondern warum es wichtig ist, dies seiner Hörerschaft gut zu erklären.
Audio gehört am Ende nicht zu den zugänglichsten Darstellungsformen im Netz. Auch wenn man selbst total von Audio begeistert ist, dürfen wir nicht vergessen, die Funktionsweise unseren potenziellen Nutzern zu erklären.
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Jens meint
Ich möchte es nicht gleich „demotivierend“ nennen, aber wenn mittlerweile jeder Sendeschnipsel des Radios als „Podcast“ verkauft wird, den man nochmal nachhören kann, dann wirkt das für den motivierten Podcaster manchmal schon etwas abschreckend.
Eli meint
Ich muss gestehen, dass ich bis vor kurzem auch absolut keine Ahnung von Podcasts hatte. Während der Homeoffice Zeit habe ich dann aber Podcasts für mich entdeckt, weil sie eine super angenehme Geräuschkulisse zum Arbeiten bieten.
Aber besonders Podcasts für Nischeninteressen sind wirklich schwer auf den Mainstream-Plattformen zu finden. Da hilft oftmals nur googlen.