Es ist mittlerweile eine schöne Tradition: Franziska Bluhm, Thomas Knüwer und ich organisieren einmal im Jahr die Goldenen Blogger. In diesem Jahr werden wir dabei noch intensiver von Frau Feli unterstützt. Die Nominierungsliste ist raus, am 26. April steigt die (in diesem Jahr virtuelle) Preisverleihung. Zum mittlerweile vierzehnten Mal.
Zugegeben: Es gibt im Vorfeld mehr als einmal den Punkt, an dem ich mich frage, warum wir die ganze Arbeit auf uns nehmen. Wenn aber am Ende Personen mehr Aufmerksamkeit bekommen, die über Monate viel Engagement und Leidenschaft in ihre Blogs und Social-Kanäle stecken, dann ist es all die Mühe wert. Schließlich beschäftigt sich die Öffentlichkeit den Rest des Jahres viel mit den negativen Seiten des Netzes. Warum nicht die fördern, die etwas gutes tun?
Wir haben für die Vorauswahl mehr als 2000 Projekte gesichtet. Das gibt uns einen guten Überblick über die Entwicklung der Social-Media-Welt. Vom klassischen Blog, über faszinierende Podcasts bis hin zu funkelnden TikTok-Accounts.
Heute möchte ich mit euch meine fünf Beobachtungen aus diesem Jahr teilen:
1.) Blogs sind nicht tot
Blogs die man früher gerne gelesen hat sind verwaist, in den Timelines spielen sie weniger eine Rolle und alle scheinen entweder einen Podcast oder einen Newsletter zu starten. Diesen Eindruck teilst du vielleicht auch. Vor der Sichtung war ich sogar skeptisch, ob die Blogosphäre noch genügend Projekte für eine ordentliche Nominierungsliste liefert. Ich lag falsch. Außerhalb der eigenen Filterblase gibt es eine vibrierende Bloglandschaft – auch wenn sie nicht so gut vernetzt ist.
Selbst Jeff Jarvis erkannte vor ein paar Tagen an, dass die Deutschen dem Bloggen sehr loyal gegenüber stehen — obwohl sie sich in den Anfangsjahren mit dieser Darstellungsform schwer taten. Er twitterte:
Used to be it was said that Germans didn’t take to blogging. But they are more loyal to blogging than anywhere else. Hell, they give bloggers prizes.
Jeff Jarvis.
Was ich beobachtet habe: Es werden nicht mehr Blogs gestartet, nur um ein Blog zu haben (hallo Newsletter, hallo Podcasts) – sondern wenn die Form zum Inhalt passt. Da möchte ich das noch relativ junge Blog Bruchstücke nennen. Eine Gruppe —mit in der Blogwelt nicht ganz unbekannten Namen— hat zu Beginn der Corona-Pandemie begonnen, ein Blog für konstruktive Radikalität zu starten. Schon nach wenigen Monaten wird deutlich, dass gute Blogs sich nicht nur über ihre Einzelbeiträge, sondern auch in der Zusammenstellung zu einem bestimmten Thema funktionieren. Das ZDF hat angekündigt, ein Blog für konstruktiven Journalismus zu starten. Diese Journalismus-Form ist komplex und in klassischen Fernsehnachrichten kaum abbildbar. Deswegen ist die Wahl eines Blogs nur logisch.
2.) Blogs werden wieder wichtiger
Wenn ich alle meine Beobachtungen weiterdenke, gehe ich davon aus, dass wir in den kommenden Monaten wieder mehr interessante Blogs sehen werden. Klar, Instagram, TikTok, Podcasts sind der Hype der Stunde. Auf den Plattformen beobachten wir einen wachsenden Kampf um Creators. Aber auch Newsletter spielen hier eine wichtigere Rolle. Viele Inhalte-Ersteller*innen setzen (wieder) auf Newsletter um ihre Zielgruppe direkt erreichen zu können. Unabhängig von Algorithmen und ständigen Neu-Ausrichtungen der Plattformen.
Nicht wenige Newsletter-Autor*innen werden aber merken, dass E-Mails zwar eine direkte, aber gleichzeitig auch eine sehr geschlossen Darstellungsform sind. Da sie besonders gut funktionieren, wenn man nicht nur Inhalte verschickt, sondern die Zielgruppe als Community versteht und behandelt, werden sich Creators auch vermehrt wieder für Blogs entscheiden.
Nicht ohne Grund hat Facebook kürzlich für diese Zielgruppe angekündigt, nicht nur über Tools zum Erstellen von Newslettern nachzudenken, sondern auch zum Betreiben von eigenen Webseiten. Natürlich inklusive Monetarisierungs-Möglichkeiten.
3.) Corona-Pandemie sorgt für Agilität
Jedes Jahr versuchen wir bei den Goldenen Bloggern mit unser Kategorie-Auswahl auch den aktuellen Zeitgeist darzustellen. Vor der Sichtung war uns klar, dass die Corona-Pandemie nicht nur zu neuen Projekten führte, sondern dass es auch viele Projekte gibt, die helfen mit den Auswirkungen der Pandemie umzugehen. Bestehende Blogs, Podcasts und Youtube-Channels haben sich Aktionen überlegt — nicht nur mit konkreten Hilfen, sondern auch mit Angeboten, die der Nutzerschaft Eskapismus während der Isolation bieten/boten.
Deswegen war es gar nicht so einfach, sich nur für drei Projekte in der neuen Kategorie „beste Lockdown-Tröster*in“ zu entscheiden. Einige der Projekte haben auch in anderen Kategorien ihren Platz gefunden. Wir haben uns am Ende sogar entschieden, erstmals die Kategorie „beste Comedy“ einzuführen. Deswegen empfehle ich euch auch noch mal einen genaueren Blick auf unsere Nominierten-Liste.
4.) Wissenschaft, Kultur, Politik und Berufsbotschafter*innen fallen auf
Nachwievor stark war das Feld an Reise-, Food-, Selbsthilfe- und Selbstmarketing-Blogs. Da wir hier aber kaum Innovation oder Entwicklung sehen, haben wir uns gegen die Kategorien entschieden. Während Kultur-Projekte in den letzten Jahren kaum Neuigkeiten boten, hat der Shutdown zu vielversprechenden neuen digitalen Angeboten geführt. Leider war aber das Gesamtfeld im Kulturbereich im Gegensatz zu anderen Themenfeldern nicht stark genug, um eine eigene Kategorie einzuführen.
Wie erwartet interessant war in diesem Jahr das Feld der wissenschaftlichen Angebote. Das Angebot bedient eine durch Corona bedingte Nachfrage. Auch abseits von COVID-19 geht es unter den Nominierten beispielsweise um Weltraum oder Mathematik. Nachdem es in den letzten Jahren im Politik-Bereich kaum Entwicklungen gab, haben wir die Kategorie ruhen lassen. In diesem Jahr sind uns vermehrt neue(re) Angebote aufgefallen, die Politik für eine jüngere Zielgruppe anbieten. Deswegen gibt es eine Rückkehr der Kategorie „bestes Politik-Blog“.
Überrascht hat uns eine Beobachtung: Viele Creators berichten mit viel Engagement aus ihrem Joballtag. Dazu gehören auch viele Personen aus dem Medizin- und Pflegebereich. Das werdet ihr beim Blick auf die Gesamtliste und speziell bei unser neuen Kategorie „beste(r) Berufsbotschafter*in“ sehen.
5.) Journalist*innen erfassen noch immer nicht komplett die Motivation von Blog-Autor:innen
Journalist*innen haben auch im Jahr 2021 immer noch einen schweren Zugang zu Bloggern und Social-Media-Produzent*innen. Statt auf die Motivation der Creators zu schauen, leiten Medienschaffende ihre Erwartungen an die Personen aus der Darstellungsform ab. Schon 2005 oder 2006 erinnere ich mich an einer Debatte beim Jonet-Tag, bei der gefragt wurde, ob Blogs der neue Journalismus sind. Damals wie heute: Nein.
Jedes Jahr gibt es auf die Nominierten viel Echo. Viel Lob, aber auch immer etwas Kritik. Die schauen wir uns sehr genau an. Hinter „wie könnt ihr nur X, Y, Z nominieren – die/der arbeitet total unsauber“ steckt oft einfach eine unterschiedliche Meinung. Wenn aber selbst Journalisten diese Kritik äußern und nicht zwischen handwerklichen Fehlern und unterschiedlicher Haltung differenzieren (können), dann erschrickt mich das.
Auch bei einer anderen Gelegenheit habe ich gemerkt, dass es Kolleg*innen gibt, die an Blogger*innen die gleiche Erwartung haben, wie an die Arbeit von Journalist*innen. Eine Journalistin kritisierte vor ein paar Tagen bei einer Debatte, dass eine Plattform bei Personen die Inhalte erstellen, nicht nur an Journalist*innen denkt, sondern auch an Nicht-Journalist*innen. Schließlich sei es in Deutschland mittlerweile anerkannt, dass Bloggen auch Journalismus sei. Diese Sichtweise halte ich für zu eng. Mit dem Blick auf die 2000 gesichteten Projekte kann ich sagen: Auch wenn es viele Personen gibt, die neben vielen Unterhaltungsformaten ein Informationsangebot aufbauen, hat nur ein Teil ein journalistisches Selbstverständnis. Die Motivationen sind ganz unterschiedlich.
Ich frage mich: Warum sind wir da 2021 noch nicht weiter? Wenn in den kommenden Monaten der Kampf um Creator immer offensiver -auch von Seiten der Plattformen- geführt wird, birgt diese Beobachtung großes Konfliktpotential. Es bleibt also spannend. Am Ende ist dieser letzte Punkt aber nur eine kleine Randnotiz unter meinen Gesamteindrücken.
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Doch zurück zu den Goldenen Bloggern: Wir sind mitten in den Vorbereitungen für die Preisverleihung. Wir können das virtuelle Studio der Deutschen Post in Bonn nutzen, sind also professionell wieder in guten Händen. Für die Nominierten und VIP-Zuschauer*innen gibt es eine Preisverleihungs-Box mit Dinner und Party-Goodies. Möglich machen das unsere Sponsoren Deutsche Post DHL, Facebook, Xing und Mumm & Co. Am Ende ist so ein Abend ganz schön teuer, und wir sind sehr dankbar, dass wir es auch (und gerade) in diesem Jahr hinbekommen.
Wenn ihr dabei sein möchtet, und vielleicht sogar auch eine VIP-Box bekommen möchtet, dann könnt ihr euch auf dieser Seite für eine Stream-Erinnerung anmelden oder auch an der Verlosung teilnehmen.
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Eddy meint
Dankeschön für die Statements: ich unterstreiche alle 5 Beobachtungen – und werde den Artikel gerne weiterempfehlen 😉
Sven meint
Umso schneller die anderen Hypes werden (TikTok, Clubhouse usw.), umso mehr gewinnen Blogs wieder an Bedeutung. Denn Länge, Platz und Ausdauer machen doch den Kern von Blogs aus.
Alex meint
Vielen Dank! Gut auf den Punkt gebracht. Es bleibt spannend..
Grzegrzymierz meint
Tolle Kommentare! Ich werde versuchen, sie umzusetzen und auf die Probe zu stellen 🙂