In dieser Woche hatten Herr Pähler und ich Besuch von den Machern von dekoder.org. Mit ihrem frisch für den Grimme-Online-Award ausgezeichneten Projekt versuchen sie Russland zu entschlüsseln. Und wir haben in dem Gespräch versucht, dekoder.org zu entschlüsseln. Ein junges, eigenständiges Medienprojekt, welches aus publizistisches Interesse gegründet wurde.
Martin Krohs ist Herausgeber und sein familiärer Hintergrund ermöglicht es, diese Seite zu betreiben. Künftig sollen aber auch Stiftungsgelder und andere Mäzene das Projekt mitfinanzieren. Fest angestellt ist Tamina Kutscher, die als Chefredakteurin das Team der freien Journalisten und Wissenschaftler koordiniert.
„Ich hatte das Bedürfnis Stimmen herzu bekommen, die ich die ganze Zeit im Ohr hatte“, erklärt Krohs in dem Gespräch die Gründung des Projekts. „Ich habe lange in Russland gelebt. Ich denke bei aktuellen Themen immer mit, was meine russischen Freunde und mein russisches Umfeld wohl sagen würde.“
„In Russland gibt es auch einen ganzen Chor von Stimmen, und es geht uns bei dekoder.org darum, das ganze Spektrum nach Europa zu bringen“, beschreibt Tamina Kutscher das Ziel. Deswegen übersetzt dekoder.org russische Medien ins Deutsche. Doch das reicht nicht aus. „Man muss wirklich dekodieren.“, ergänzte Kutscher. „Nehmen wir das Wort Wahlen. Das bedeutet im russischen etwas ganz anderes, als bei uns. Was bedeuten Wahlen, wenn das Ergebnis schon im Vornherein feststeht? Wähler debattieren, ob sie überhaupt teilnehmen wollen. Aber auch die Opposition ist sich nicht einig, ob sie überhaupt antreten soll. Wollen sie ein System unterstützen, welches sie ablehnen oder wollen sie sich jetzt erst recht einmischen? Wir erklären einzelne Begriffe in sogenannten Gnosen. Das sind wissenschaftliche Artikel in denen die in Europa ungeläufigen Begriffe erklärt werden.“
In der Jury-Begründung des Grimme-Online-Awards heißt es über das Projekt, dass die Arbeit „neutral und angenehm unaufgeregt [erfolgt]. Indem „dekoder“ Russland für deutschsprachige Leser entschlüsselt, eröffnet es diesen neue Perspektiven. Weil Informationen und Meinungen zugänglich gemacht, aber niemals aufgedrängt werden, wird ihnen alles an die Hand gegeben, um sich ein eigenes Bild zu machen. Damit übernimmt ‚dekoder‘ die urjournalistische Aufgabe, auch die andere Seite hörbar zu machen.“
Ich finde vor allem die Frage spannend, warum Russland uns so fremd ist. „Wir waren lange von dem Land entkoppelt, als es noch die Sowjetunion war“, wie es Martin Krohs in dem Gespräch verriet. „Von daher gibt es eine große Informationslücke. Das ist ein großes Loch. Wenn wir dies mit unserem Wissen über die USA vergleichen und wie wir den Ereignissen dort folgen, dann ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir dort informiert sind. Bei Russland ist dies überhaupt nicht der Fall.“ Über die Ursachen, aber auch wie die Macher von dekoder.org die Russland-Berichterstattung der deutschen Medien empfinden, und wie die Berichterstattung in Russland über Europa läuft, das könnt ihr in dem Gespräch noch nachhören.
Mein Hörtipp für das Wochenende: „Eine Stunde Was mit Medien“ von diesem Donnerstag bei DRadioWissen. Die Sendung dauert rund eine halbe Stunde und ihr könnt sie auf der Sendungsseite nachhören oder auch als Podcast laden.
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