Ãœber einen interessanten Tweet bin ich gestern gestolpert:
Wir gründen den ersten genossenschaftlichen Sender in Deutschland. Helft mit, folgt @dersender und verbreitet http://t.co/rTdYnfYVsX
— Philip Banse (@philipbanse) January 15, 2015
Direkt musste ich an die Krautreporter denken. Ein ähnliches Projekt für Audio und Video, angetrieben durch den Wunsch, den Schwächen der Journalismusmaschinerie entgegenzuwirken?
Die Köpfe hinter dem Projekt sind spannend: Philip Banse (freier Hörfunkjournalist, der auch für das Deutschlandradio arbeitet), Lorenz Matzat (Datenjournalist) oder Jana Wuttke (Redakteurin von Breitband bei Deutschlandradio Kultur) sind zum Beispiel dabei. Schon alleine deswegen sollte man die Idee ernst nehmen.
Doch was ist der Hintergrund? Wie ernst nehmen die Kollegen das Projekt? Viele erste Antworten gibt es schon auf derSender.org. Aber uns reichte das noch nicht. Herr Pähler und ich haben Philip Banse eingeladen, direkt in „Was mit Medien“ die Fragen zu beantworten. Ihr könnt die Sendung vom Donnerstag nachhören und unser Gespräch findet ihr ab Minute 28. Das Gespräch habe ich auch noch einmal transkribiert:
Warum wollt ihr „Der Sender“ nicht nur starten, sondern auch zum ersten deutschen genossenschaftlichen Sender machen?
Philip Banse: Genossenschaftlich deshalb, weil wir das ganze über die Crowd finanzieren wollen. Wir sind mit dem Blog in die Vorbereitung eines Crowdfundings gestartet. Weil ihr gerade die Krautreporter erwähnt habt: Was wir aus Gesprächen mit denen mitgenommen haben, ist: Bevor sie das Crowdfunding starten zu sagen „Hey, wir haben was vor. Was habt ihr für Interessen? Was habt ihr für Kritik? Wie würdet ihr euch das vorstellen?“ Das haben die überhaupt nicht gemacht. Dann haben wir gesagt: Damit gehen wir eher rein. Wir fragen die Leute, was sie interessiert. Wir haben schon das Bedürfnis, für das Projekt einen angemessenen institutionellen Rahmen zu bieten. Da finden wir die Genossenschaft angemessen. Wir sind daran interessiert, eine nachhaltige Finanzierung sicherzustellen, von Leuten denen dieser Sender wichtig und am Herzen liegt.
Genossenschaft heißt, ich und jeder andere kann Genosse dieser Genossenschaft werden? Richtig formal?
Ja, das geht. Noch gibt es diese Genossenschaft nicht. Der Plan ist: Wir starten das Crowdfunding. Wenn das erfolgreich ist, werden wir eine Genossenschaft gründen. Dann kann jeder Genossenschaftsanteile zeichnen und Genosse werden.
Wir sind jetzt optimistisch, dass das Crowdfunding und die Gründung der Genossenschaft klappt: Was werden wir zu sehen und zu hören bekommen?
Wie so viele Fragen ist diese Frage noch nicht beantwortet. Wir möchten gerne einen Ort schaffen. Den haben wir zum Teil schon. Wir haben ein Studio in Kreuzberg gemietet. Dort sitzt die Firma von Lorenz Matzat drin, der Teil des Teams ist. Das ist eine schöne Fabriketage in Kreuzberg. Da würden wir mit dem crowdgefundeten Geld ein schönes Studio für Radio und Video einbauen. Je nachdem wieviel Geld reinkommt, je nachdem wer so mitmacht, je nachdem was für Konzepte uns noch ins Haus flattern, werden wir dort Sendungen machen. Unser Anspruch ist, dass wir ein möglichst breites Spektrum abdecken. Es wird Politiksendungen geben, die sich mit tagesaktuellem Geschehen beschäftigen. Es wird eine Wissenschaftssendung geben, denke ich mal. Ich fände auch die Idee eine Familiensendung reizvoll, die sich mal an Jugendliche, Kinder und Eltern wendet. Das Spektrum könnte von Drogen über Computer und Schule bis Erziehung etc. reichen. Der Anspruch ist, eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen. Eine größere Zielgruppe, als es traditionelle Audio-Podcaster machen.
Was treibt euch an? Ist es eine publizistische Lücke, die ihr im deutschsprachigen Netzbereich seht, oder ist es die Frage, eine Organisationsform zu finden, die von klassischen Medienmarken unabhängig Journalismus ermöglicht?
Es ist sicherlich alles. Einerseits habe ich großen Spaß in den letzten zehn Jahren an der Podcasterei, die ich betreibe, gewonnen. Ich habe es schätzen gelernt, total selbstbestimmt, ohne Rücksprache mit irgendwelchen Institutionen, Themen aufnehmen und beliebiger Länge und Form und Art bearbeiten zu können. Das klingt wie eine kleine, nebensächliche Verschiebung der Rahmenbedingungen. Im Effekt macht das aber einen riesen großen Unterschied. Wenn man da eine Struktur hat, mit einem Studio, in das man sich einfach reinsetzen kann, mit einem Angestellten, der Technik und Orga übernimmt, und man damit ein Forum bekommt, um wirklich Themen, die einem selber am Herzen liegen, in freier Art nachzugehen, das finde ich reizvoll. So können wir der deutschen publizistischen Debatten den einen oder anderen neuen Twist geben.
Schauen wir mal in die USA: Ehemalige Radiomacher haben dort eigene Podcasts gestartet, aus denen ganze Mediennetzwerke geworden sind. Die sind richtige Unternehmer geworden. Sie haben Unternehmen gegründet, die sich durch Werbung finanzieren. Sie fahren ein klassisches Modell. Das können wir in Deutschland nicht beobachten. Hier gibt es am Ende immer Crowdprojekte. Ist Deutschland am Ende zu klein für so ein Unternehmertum, was die Reichweite angeht? Oder warum endet es in Deutschland immer bei der Crowd?
Die großen Podcastnetzwerke in den USA finanzieren sich ausschließlich durch Werbung. Ich glaube hier gibt es nicht die Reichweite und die Werbeinteressierte, die es strukturell ermöglichen mit dem Prinzip Werbung Massen und Gruppen zu erreichen, die für die Werbenden einen Unterschied ausmachen und für Erfolg sorgen. Das glaube ich nicht. Ich stelle nur fest, dass die Unternehmen in den USA viel engagierter sind, um einzelne Nischen und Formate einerseits zu unterstützen, und dass die Hörer dort Werbung gegenüber viel offener sind. Ich glaube, dass viele Werbeformate, die in US-Podcasts funktionieren, in Deutschland so nicht akzeptiert würden. Es gibt gleichzeitig nicht die Unternehmen, die explizit in Podcasts mit signifikanten Summen werben. Ich glaube, dass ist ein Grund, warum es hier nicht so von selbst entsteht. Der andere Grund ist einfach, dass man in Deutschland eine Tradition von unabhängigen und von Hörern finanzierten Projekten hat. Das hat hier schon Kultur.
Wir sind denn die ersten Reaktionen, nachdem ihr heute euren Plan bekanntgegeben habt?
Es war natürlich alles ganz großartig, genial und alle waren begeistert (lacht). Wir waren überrascht, dass dann doch so viel positives Feedback kam. Es kamen ein paar kritische Stimmen: Ah, wieder ein Crowdfunding-Projekt. Ah, wieder die Krautreporter für Audio und Video. Das ist völlig okay. Die Masse der Tweets und Meldungen bei Facebook waren „interessant“ und „viel Glück“ und so. Was mich am meisten gewundert hat: Es haben sich schon 15, 20 Leute gemeldet, die sich in irgendeiner Form inhaltlich, technisch, strukturell oder organisatorisch beteiligen wollen. Denen kann ich auf diesem Weg sagen: Wir sammeln das. Das habe ich denen zum Teil auch schon gemailt und getwittert. Wir verschaffen uns einen Ãœberblick und werden uns dann melden.
Was ist der nächste Schritt?
In der nächsten Woche wird es einen Blogpost geben, in dem wir mal über Sendungen, Sendungsformate und inhaltliches Auskunft geben. Alle paar Tage werden wir dann zu unterschiedlichen Sachen etwas sagen. Zu Genossenschaften, Inhalten, Finanzierung etc. – das nächste ist ein Danke für die Beteiligung und näheres zu Sendungsformaten.
Zur Sendungsseite bei DRadioWissen.
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