The Thank You Economy von Gary Vaynerchuk (Programm).
Gary Vaynerchuk ist einer von diesen Leuten, die einem erzählen, wie das Internet funktioniert und warum traditionelle Systeme sterben – wie die klassische Werbung zum Beispiel. Das klingt jetzt abschätzig, ist aber überhaupt nicht so gemeint. Im Gegenteil: Erstens trägt Vaynerchuk unglaublich unterhaltsam vor. Seine Fähigkeiten eine Masse zu begeistern sind beneidenswert. Ich werde zwar nie zu seiner Fan-Crowd gehören (es gibt Leute die auf alle seine Vorträge gehen und sich alle seine Videos anschauen), aber ich sage euch: Mindestens einen Vaynerchuck-Vortrag muss man gehört haben. Zweitens ist er nicht einfach jemand, der über das was er denkt redet, er hat auch etwas vorzuweisen. Das können nicht viele Social-Media-Experten von sich behaupten. Er hat von seinem Vater einen Laden geerbt und daraus einen multimillionen Weinversand ausgebaut. So ist er als Weinblogger von WineLibraryTV.com im Social Web berühmt geworden. Jetzt ist sein zweites Buch erschienen: The Thank You Economy.
Diese Economy hat er nicht im Detail bei seinem Vortrag auf der SXSW vorgestellt, sondern eher erklärt, warum wir die brauchen. „Wenn Content King ist, dann ist Kontext Gott“, ruft Vaynerchuk begeistert in die Masse und und zitiert (noch) Google-Chef Eric Schmidt. Laut ihm werde heute in 48 Stunden so viel Content produziert, wie vom Anfang der Zeit bis 2003. Es wird also immer wichtiger: Die richtige Information zur richtigen Zeit.
Ich finde Vaynerchucks „erst einmal an die eigene Nase packen“-Einstellung ganz gut: Als junges Unternehmen mußt du laut Mr. Weinblogger auch nicht „die Welt verändern“ sondern ganz einfach mit den Kunden reden. Wir kritisieren bei vielen großen Unternehmen, dass sie sich nicht um den einzelnen Kunden kümmern. Aber worüber reden Start-Ups? „Wir werden das nächste Foursquare / Twitter / Whatever“ oder „Bald kommt eine Story von uns auf Mashable“ – wo sind da die Kunden?
Dann ist da noch die Sache mit der Werbung. Irgendwelche Meldungen zu „pushen“ ist unglaublich out.
Er versteht die US-Wirtschaft nicht. Die gibt Millionen für die Radiowerbung aus. Am Nachmittag wird das ganze Geld in die Drivetime gesteckt, in der Hoffnung, dass Mutti im Auto auf dem Weg zum Einkaufen die ganzen Werbebotschaten hört. Hört sie die Werbebotschaften? Nein, Mutti hört nichts, sie telefoniert die ganze Zeit am Ende. Wir können schon froh sein, dass sie sich überhaupt noch auf das Autofahren konzentrieren kann, denn links und rechts stehen ja noch die ganzen Billboards, die zusätzlich um Aufmerksamkeit buhlen. Und was passiert im Supermarkt? Dort erinnert sich Mutti nicht an die Werbebotschaften, schließlich ist sie damit beschäftigt mit ihren ganzen Gutscheinen günstige Deals herauszuholen. Was wird sie in zehn Jahren machen? Dann hält sie ihr Handydisplay auf die Produkte um Zusatzinfos zu bekommen.
So läuft „push“ in den E-Mail auch nicht mehr. Vor zehn Jahren lief sein wöchentlicher Wein-Newsletter super. Die Leute haben wie wild bestellt und auf die E-Mails reagiert. Damals freute man sich ja auch noch über jede E-Mail. Man wollte alles lesen. Selbst Viagra- und Penis-Enlargement-Spam war aufregend. Mit dieser Einsicht hat er zwei Wein-Newsletter pro Woche verschickt. Seine Umsätze haben sich verdoppelt. Das funktioniert heute nicht mehr.
„Push“ passt auch nicht zur Humanisierung des Business, die Vaynershuk fordert.
Was heißt das? Viele lieben ihre Eltern deswegen, weil die Eltern ihre Kinder zu erst geliebt haben. Das sollte bei Marken auch so sein.
Viele Social-Media-Experte halten die „Old Spice“-Kampagne für die großartigste Sache in der Social-Media-Werbewelt. Gary Vaynerchuk finde sie dumm. Erst einmal weil es nicht so etwas wie eine „Social-Media-Kampagne“ gibt und dann weil, diese Old-Spice-Aktion so etwas wie ein One-Night-Stand ist. Zwar haben die Macher laut Vaynerchuk einen tollen Kontext geschaffen (Super-Bowl-Ad und dann YouTube-Verlängerung mit den Reaktionsvideos) – aber dann gab es ein Problem: Old Spice hat nicht mit dem Einzelkunde gesprochen. Sondern nur in die Masse gesendet. Es wurde keine einzige Frage des einzelnen Nutzers beantwortet. Old Spice ist ein sehr gutes Beispiel, wie man es in „The Thank You Economy“ nicht machen sollte.
Vaynerchucks Anregung: Wenn ein Social-Media-Experte demnächst Old Spice als Vorzeigekampagne aus dem Hut zaubert, sollten wir ihn mit unseren Schuhen verkloppen.
Gary bekommt auch Pickel, wenn er Dinge wie „Wenn ich 100 Follower bekomme, dann spende ich 100 Dollar nach Japan“ liest. Auch fordert er Marken auf, keine Leute zu filtern und auch mit Leuten zu interagieren, die weniger als 1.000 Follower haben. Pickel bekommt er auch bei Werbung, die das Twitter und Facebook Logo zeigt? Das ist so als ob ich ein Telefonlogo anzeige. Wir dürfen natürlich nicht unsere Telefonnummern vergessen.
Follower-Zahlen sind ebenfalls quatsch. Das sei so effektiv, als ob man die Autos vor einem Plakat zähle oder Auflagen Achtung schenke. Niemand kauft dein Produkt weil es eine Anzeige auf Seite 127 gibt.
„GIVE – and worry about it later“, sagt Vaynerchuck, der vor seinem Vortrag möglichst viele der mehr als 1.000 Zuhörer per Handschlag begrüßt hat. Er weiß, dass es für viele in großen Unternehmen schwer ist, das zu tun, was eigentlich einem das Bauchgefühl rät: „Promise me one thing: When everyone wake up, you don’t want to be on the side of the blockbuster-decisions. All the good things happen in the grey not in black / white.“
In diesem Moment steht ein Fan auf und berichtet, dass er aus Kanada angereist ist. Er bat seine Leser ihm die Reise nach Austin zu finanzieren – er benötigte mindestens 2.000 Dollar und würde dann einen ausführlichen Nachbericht allen kostenlos anbieten. Am Ende sind 4.000 Dollar gespendet worden. Vaynerchuk ist sich sicher: Der Fan hätte nicht so viel bei einem klassischen Geschäftsmodell verdient – hätte er seine Reise erst aus eigener Tasche bezahlt und den Bericht im Nachhinein verkauft, wäre nicht so viel herum gekommen.
Auch eine Erkenntnis: Große Marken können nur von CEO/Board-Ebene aus die Einstellungen verändert und nicht von einem Angestellten auf Ebene 17.
Aber: Warum soll man mit anderen interagieren? Da gibt Vaynerchuk offen zu: Nicht, weil man ein Gutmensch ist, sondern weil es gut für das Geschäft ist. Schließlich sind unter den Kunden unglaublich viele Selbstsüchtig, aber das ist kein Grund nicht nett zu ihnen zu sein.
Am Ende des Vortrags hat Gary Vaynerchuk noch bekannt gegeben, dass er mit der 1.000 Episode seinen Wein-Podcast einstellt. Ein Raunen geht durch den Raum. Aber es gibt etwas neues: Eine App mit kurzen Videos auf DailyGrape.com. An seine Saalzuhörer verteilte er Gutscheine für kostenlose Weinproben.
So bleibt man mit dem Eindruck zurück: Hat der nette Mr. Vaynerchuck, der sehr viele richtige Sachen über das Netz und den Umgang mit Menschen gesagt hat, nur meine Hand geschüttelt, weil er am Ende mein Geld will?
Sein Buch bei Amazon: The Thank You Economy (mein Affiliate-Link) – Buchbeschreibung: „The Thank You Economy is about something big, something greater than any single revolutionary platform. It isn’t some abstract concept or wacky business strategy—it’s real, and every one of us is doing business in it every day, whether we choose to recognize it or not. It’s the way we communicate, the way we buy and sell, the way businesses and consumers interact online and offline. The Internet, where the Thank You Economy was born, has given consumers back their voice, and the tremendous power of their opinions via social media means that companies and brands have to compete on a whole different level than they used to.“
Schreibe einen Kommentar