Zum Abschluss der Tutzinger Radiotage gab es noch eine Diskussion mit Audio-Liebhabern, die nicht aus der Radiobranche kommen. Das war für mich ein wichtiges Thema, denn die Faszination über all die neuen Audio-Möglichkeiten in der digitalen Welt sehe ich derzeit an vielen Stellen – nur nicht unbedingt in der Radioszene. Ich habe hier für euch ein paar Notizen, die ich am Mittwoch mitgenommen habe:
Sandra Sperber, Reporterin im Hauptstadtbüro von Spiegel Online und Macherin des Podcasts „Stimmenfang der Politik-Podcast„:
- 2017 hatten die 5 Podcasts von Spiegel Online 4,6 Millionen Plays.
- Podcasts sind für Sandra ein sehr wichtiges Tool, um Journalismus transparenter zu machen. Es können die Personen hinter den Texten für die Nutzer vorgestellt werden. Das schafft eine ganz andere Bindung, die auch hält, wenn der Nutzer das nächste Mal einen Text der Person liest. Sie erzählte die Geschichte, als ein Kollege bei der Interview-Aufzeichnung einen Anruf von Christian Lindner erhielt – wegen einer Interview-Autorisierung. Er ist während der Aufzeichnung ran gegangen. Das gab viel Feedback.
- „Mit unseren Podcasts können wir unserem Journalismus um eine Dimension ergänzen. Wir können uns ganz anders mit unseren Nutzern auseinandersetzen“, sagt Sandra und meint die Interaktion mit den Nutzern. So telefoniert sie viel mit Nutzern und befragt sie und spielt diese Meinungen nicht nur ein, sondern ergänzen diese mit passenden Inhalten.
- Wichtig sind ihr O-Töne von Nutzern, von Dritten und dass die Kollegen rausgehen und berichten.
- Die meisten Hörer gibt es für den Stimmfang-Podcast nicht über die Startseite von Spiegel Online, sondern über Aggregatoren wie iTunes.
- Kleine Anekdote noch. Den Lobocast stellt sie so vor:“Sascha Lobo hat einen Debattenpodcast wo er vor allem viel redet.“
Tina Hüttl & Jenni Roth, freie Journalistinnen, die für die Axel-Springer-Akademie das Podcast-Projekt Alyom betreut haben:
- Die Frage war erst einmal, wie sie Journalisten-Schüler, die bisher noch kein Audio gemacht haben, für Audio begeistern konnten. Die Herausforderung war nicht nur, dass sie Nicht-Radiomacher waren, sondern dass sie noch nicht einmal mehr Radiohörer sind.
- Das Rezept: Viel Hören! Die Dozentinnen haben viele gute Podcasts mitgebracht und sind erst einmal mit „This American Life“ eingestiegen. Auch wenn die Journalistenschüler erst mal irritiert waren, dass sie jetzt zwei Tage Audio hören sollten, waren die Vorbehalte gewichen: „Schon nach zehn Minuten habe ich ein Leuchten in ihren Augen gesehen und wusste: Sie sind drin.“
- Auch wenn die Journalistenschüler mittlerweile in anderen Stationen sind, ist die Begeisterung für Audio geblieben: Das gleiches Team arbeitet nebenher an neuen Folgen. Wir können uns also auf eine zweite Staffel Alyom freuen.
Marc Krüger wechselte vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu T-Online und ist dort der erste Voice-Redakteur:
- „Die Audio-Zukunft wird am Radio vorbei entwickelt“, stellt er fest.
- „In meinem alten Leben habe ich gerne gesegt ‚Online ist echt gut‘ – in meinem neuen Leben sage ich ‚Audio ist echt gut‘.“ Die Situation sei aber eine andere, weil um ihn herum in seiner Kollegschaft viel Begeisterung da ist. Sie bedanken sich dafür, dass er ihnen Audio zeigt. Beim Radio kam wenig Dank fürs Digitale.
- Bei T-Online hängt auf jedem Klo eine Alexa, das wollte der Newsroom-Planer so.
- Krüger ärgert sich über die Debatte, dass qualitativ hochwertige Podcasts in Deutschaland von der Szene oft nicht akzeptiert werden. Die Haltung „Zu viel Qualität ist nicht das Original“ sei nicht gut.
Tim Kehl kümmert sich um das Podcast-Programm bei Audible:
- Seit acht Jahren werden Hörbücher von Audible selbst produziert, weil der Bedarf höher ist, als es der Markt hergibt.
- „Unsere Kunden bezahlen bereits für das gesprochene Wort.“
- Sehr interessant, wie Audible die neuen Podcasts geplant hat.
- Erst haben sie durch Forschung Themen definiert, die bei den Hörern ankommen: News & Politics, Comedy, Celebrities / Person of Interest, Business, Society, Crime, Sports, Culture / Arts, Relax, Self-Improvement.
- Das Thema ist aber nur die halbe Miete – das Format ist auch wichtig. Sonst hat man 20 Formate die alle gleich klingen.
- Dann wurden Formate definiert: Talk Show, Interview, Documentary, Instructional, Magazin.
- Wer auch bei Audible ein Format pitchen möchte: Bis zum 8. Oktober neues Call-for-Paper.
- Grundsätzlich zum Thema Audio und Innovation zur Zeit, hat Tim ein Zitat irgendwo aufgeschnappt, dass ihm als passend erscheint: „Wir haben viel Erfahrung, aber machen alles doch zum ersten Mal.“
Hörtipp: Heute um 20 Uhr gibt es bei Deutschlandfunk Nova die „Was mit Medien“-Ausgabe rund um die Tutzinger Radiotage: Sechs junge MedienmacherInnen hatten sich beworben und berichten.
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