Wir haben uns im Rahmen der „Digital Journalism Fewelloship“-Tour mit Community-Journalismus bei der jüdischen Zeitung The algemeiner beschäftigt, eine Diskussion mit Jeff Jarvis an seiner Hochschule geführt, den frisch mit einem News-Emmy ausgezeichneten Gründer des New York Times Visual Investigation Teams kennengelernt und uns von den Gründer von Civil den journalistischen Blockchain-Ansatz erklären lassen. Aber in meinem kleinen Tagebuch möchte ich heute ausgerechnet etwas von dem branchenfremden Programmpunkt festhalten: Der Art-Talk über Technologie und Marketing in der Kunst. In dem Gespräch sind mir viele Parallelen zu einer immer wiederkehrenden Frage im Journalismus aufgetaucht: Wie unternehmerisch müssen Journalisten denken? Gerade für freie Journalisten ist es ein Thema. Unternehmen wir einen kleien Ausflug in die Kunstszene.
Dienstagnachmittag, irgendwo in Tribeca, einem wunderschönen aber oft auch ein bisschen vergessenen Stadtteil im Schatten von SoHo und dem Financial District. Seit zwei Jahren gibt es hier den Spring Place, einen Members-Only-Club für die Kreativszene. Ein Ort der Begegnung, untereinander und mit Auftraggebern. Wir treffen auf die Kuratorinnen Roya Sachs und Elizabeth und den Düsseldorfer Kunst-Unternehmer Magnus Resch. Kontrovers diskutieren sie über den Einfluss von Marketing und Technologie auf die Kunst-Szene. Eine Diskussion zwischen Tradition und Moderne. Zwischen Alt und Neu. Zwischen Stillstand und Fortschritt.
Elizabeth Dee beschreibt, welchen Einfluss der Wandel von Print zum Digital-Journalismus bei der New York Times auf die Kunst-Szene der Stadt hat. Sie beklagt, dass aus den zwei Seiten am Wochenende nur noch eine halbe übriggeblieben ist. Früher war es Standart, dass jede große Ausstellung eine Rezension bekommen hat — heute eher ein Glücksfall. Für die Kunst- und Galerie-Szene sei es deutlich schwieriger geworden, sichtbar zu sein. Auch das zuständige Team bei der NYT sei inzwischen deutlich kleiner: Einige langjährige Journalisten sind in den 70ern – es wird kaum Nachwuchs in das Team zugeteilt. Der Grund für diese Entwicklung: Die Geschichten aus der Kunst-Szene bieten zu wenig Clickbait, meint Dee mit Verweis auf den digitalen Fokus der Times. Einige Galerien sind dazu übergegangen inzwischen sogar eigene Magazine zu veröffentlichen.
Was Journalisten von Künstlern lernen können
50 Prozent der weltweiten Kunsteinnahmen gehen an 25 Künstler. Die anderen 50 Prozent verteilen sich auf die Millionen anderen Künstler weltweit. Magnus Rech hat diese Zahlen aus einer Analyse mitgebracht, bei der es um eine Frage geht, die auch im Journalismus viele Freie umtreibt: Wie kann man von seiner Kunst leben?
Die Antwort: Es kommt auf das eigene Netzwerk an. Welche wichtigen Personen kennt der Künstler? Wer trägt die Arbeit des Künstlers weiter? Am Ende ist das Netzwerk relevanter als die Kunst an sich.
In der Journalusmus-Branche ist es ähnlich: Freie Journalisten sind auf das eigene Netzwerk angewiesen. Auch für festangestellte Journalisten spielt es eine Rolle. Trotzdem hat es immer noch „Geschmäckle“, wenn über „der Journalist als Marke“ oder unternehmerisches Handeln als Journalist gesprochen wird.
Warum sich die Ausbildung noch ändern muss
Natürlich folgt auch in der Kunstszene immer die Diskussion über Kommerz: Künstler wollen doch für ihre Kunst stehen, sie wirken lassen und sich nicht selbst vermarkten. Aber sind das am Ende die Künstler, die von ihrer Arbeit leben können? Nein, sagt Magnus Resch. Diese Sicht sei sehr romantisch. Sogar in der ganz alten Welt waren Künstler in Wirklichkeit Handwerker, die Auftragsarbeiten abwickelten.
Resch kritisiert, dass an den Kunstakademien dieser Welt zwar die Kunst den Studenten vermittelt wird, aber nicht sich selbst unternehmerisch zu vermarkten.
Interessanterweise sprach das auch Jeff Jarvis bei unserem Besuch der City University of New York an: In einer guten journalistischen Ausbildung werden viele Journalisten zwar darauf vorbereitet, wie sie als Freie arbeiten können – also wie man Redaktionen zum Beispiel Themen vorschlägt. Sie erhalten jedoch viel zu wenig Unterstützung, die neuen Wege zu nutzen, um selbstständig die eigene Arbeit sichtbar zu machen: Sei es auf Youtube, in einem eigenen Newsletter oder Blog in Zusammenspiel mit eigenen Events oder Büchern. Auch wenn diese Darstellungsformen alles andere als neu sind, ist der strategische Umgang häufig nur eine Randnotiz journalistischer Ausbildung.
Ähnlich wie im digitalen Journalismus hat auch die Kunstszene ein Problem mit sinkenden Einnahmen. Laut Resch sind in den letzten zehn Jahren 20% weniger Kunst verkauft worden. Zwar sind die Galerien und Ausstellungen extrem gut besucht, aber Kunst verkauft sich schlechter. Kunst hat ein Conversionproblem, stellt Magnus Resch fest. Die Leute sind da, kaufen aber nicht. Resch nennt als Grund die fehlende Transparenz im Kunstmarkt.
Interessant ist der Ansatz, den Roya Sachs verfolgt. Sie zeigt Kunst gerne an Orten, an denen Menschen diese nicht erwarten. Gute Kunst drückt für Sachs etwas aus und verleitet das Publikum zu einer Reaktion. Ihre Erfolgsformel: Am Ende des Tages, möchte das Publikum das Gefühl haben, Teil von etwas zu sein. Ein Gedanke, der sich auch auf die Medienwelt anwenden lässt, aber viel zu oft vergessen wird.
Hier geht es zum ersten Teil der Reise und einem Besuch bei Bloomberg: Auf das Timing kommt es an.
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