Am Wochenende schrieb ich bei RP Online über das Podcast-Phänomen Serial: Auch wenn die finale Episode von Serial seit dem 18. Dezember 2014 bereits im Netz steht, ist das letzte Kapitel in diesem Kriminalfall noch lange nicht geschrieben. Wenn du den Podcast noch nicht kennst, empfehle ich dir die Lektüre meiner Einführung. Wenn du den Podcast-Hit (40 Millionen Amerikaner haben in den letzten Wochen eingeschaltet) schon kennst, wird dich diese Nachricht interessieren:
Jetzt ist tatsächlich das nächste Kapitel da. Vor wenigen Tagen gab es eine Ankündigung auf Facebook:
Für die Hörer des Serial-Podcasts von Sarah Koenig: Ich werde mich für ein Interview zur Verfügung stellen: Erstens, um die Frage für die Menschen zu beantworten, die sich, wie ich hoffe, Sorgen um den Tod von Hae Min Lee machen (die Person, die den ultimativen Preis für diese Unterhaltung bezahlt hat). Zweitens, um diese sogenannte Reporterin als das zu outen, was sie wirklich ist.“
Das Posting ist zwar inzwischen wieder gelöscht, aber das Interview ist tatsächlich erschienen. Jay Wilds äußert in einem sehr langen Interview seine Sicht der Dinge. Aber nicht gegenüber einem großen Medium, sondern gegenüber The Intercept. Das ist die Webseite von Investigativjournalist Glenn Greenwald, der durch seine Zusammenarbeit mit Edward Snowden berühmt wurde. Auf The Intercept, finanziert durch E-Bay-Gründer Pierre Omidyar, ist jetzt der erste Teil des Interviews erschienen.
In diesem ersten Teil schildert Jay seine Sicht der Dinge. Seit wenigen Stunden ist der Text online: Auf die ersten 172.000 Abrufe kommen bereits 284 Kommentare, die jedes Detail des Textes auseinander nehmen und mit anderen Quellen im Netz vergleichen.
Serial-Hörer sind es gewohnt, dass rund um Jay Fragen offen bleiben (bei seinem Gegenspieler Adnan ist dies ebenso der Fall). Nach Jays Interview ist dies nicht anders: Im ersten Teil wird nicht ersichtlich, warum er diese Geschichte nicht auch den Machern des Serial-Podcasts berichtet hat. Dies hätte den bemerkenswerten Podcast noch besser gemacht. Die auf Facebook formulierte Abrechnung* mit Sarah Koenig gibt es auch nicht – sie wird ganz am Ende für Teil 2 angekündigt.
Zwar hätte Jay Wilds schlechtere Partner für sein exklusives Interview wählen können, aber am Ende geht The Intercept nicht anders mit der Geschichte um, als es Jay Serial-Produzentin Sarah Koenig vorwirft: Das ultimative Ausschlachten als „Unterhaltung“.
(*= eine Bestätigung, ob das Facebook-Posting tatsächlich von Jay Wilds stammt, gibt es bisher noch nicht. Allerdings gehen viele US-Medien davon aus und es spricht tatsächlich nichts dagegen.)
P.S.: Warum The Intercept nicht auf den Serial-Podcast verlinkt bleibt mir ein Rätsel.
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