Der Newsletter zum Blog. Fiene Fünf mit Inspiration zum Wochenwechsel. Ein Gedanke, ein Update und drei Links.
Guter Moment
Was ich total gerne mache: Mit Kolleg*innen zusammen ihre digitalen Projekte ordnen und dann ein passendes Geschäftsmodel entwickeln. Meist steht ein Blog oder Podcast im Mittelpunkt, aber dann gibt es auch die über die Jahre dazu gekommenen Social-Kanäle, einen Newsletter und irgendwie eine Community. Das alles zu sortieren und jedem Kanal somit auch einen Zweck zu geben, ist für die Kolleg*innen immer ein wertvoller Moment. Auf einmal hat alles seinen Platz, die Arbeit ist klar definiert, man hat sich von einigen Dingen (endlich) getrennt oder vielleicht etwas neues (endlich) dazu genommen. Auch das Produkt ist klar und dessen Nutzen für die Community. Ich helfe, das alles von einer Flughöhe aus zu ordnen. Im Duo packt man das große Ganze. Vor ein paar Tagen hatte ich noch gedacht, das ist einer dieser guten Momente. Immer wieder. Sowohl für den Kollegen, als auch für mich.
Zum Bedeutungsverlust der Followerschaften
Intro: Warum sagt der Instagram-Chef, Followerzahlen seien im Vergleich nicht mehr so wichtig wie Engagement-Zahlen? Was einige vermuten: Instagram bereitet sich auf einen größeren Schritt in Richtung TikTok vor. Dann könnten die Inhalte auf den besten Plätzen von For-You-Algorithmen ausgewählt werden – unabhängig davon, ob User den Accounts folgen. Dann würde Instagram nicht nur weniger social, für Insta-User bedeutet das dann: Wer Inhalte publiziert und eine Community aufbaut, muss komplett neu denken. Schauen wir uns das mal an.
1️⃣ Das Zitat
Follower counts matter less than view and like counts. I understand why people focus so much on follower counts; they’re prominent and they’re easy to find. But if you actually want to get a sense for how relevant an account is, look at their how many likes they get per post and how many views per reel instead.“ — Adam Mosseri auf Threads
2️⃣ Das Posting kam wie Kai aus der Kiste,ist aber nicht ohne Kontext:
Schon im letzten Jahr haben wir uns damit beschäftigt, dass Facebook, Instagram und andere Social-Apps mehr wie TikTok sein wollen und die Inhalte nicht mehr basierend auf Accounts denen man folgt ausspielen, sondern welche Inhalte am wahrscheinlichsten konsumiert werden. Bei Facebook spielen in der App For-You-Inhalte eine große Rolle, bei Instagram gab es verschiedene Experimente, eine größere Änderung hat Instagram nach Protesten („Make Instagram Instagram again“) zurückgenommen.
3️⃣ Was wahrscheinlich ist:
Nach verschiedenen Tests ist es realistisch, dass Instagram wie angekündigt einen neuen Versuch unternimmt, algorithmische Vorschläge stärker in den Vordergrund zu rücken. Auch wenn die Instagram-Nutzung bei Tests eine intensivere Nutzung zeigen, steht bei Usern der „wir wollen unser altes Instagram mit Fotos von Freunden zurück“-Elefant immer noch im Raum. Auf der anderen Seite sehen die meisten in Instagram eine Plattform, auf der sie sich vor allem unterhalten lassen wollen. Wenn Mosseris Sicht der mittlerweile nicht mehr wichtigen Followerschaften sich durchsetzt, hat Meta somit präventiv einer weiteren goßen Empörung bei künftigen ähnlichen Änderungen eine wichtige Grundlage entzogen.
4️⃣ Warum Plattformen den For-You-Feed lieben:
TikTok macht vor, wie der For-You-Feed es schafft die Verweildauer in der App nach oben zu treiben. Mehr Verweildauer, mehr Möglichkeiten um Werbung auszuspielen. Damit löst Meta auch ein weiteres Problem: Viele posten weniger in Feeds (dafür in Stories oder Messenges), die Feeds verändern sich und damit die Qualität für die User besser wird, müssten sie immer wieder selbst mit anpacken. Wir kennen es: Wir scrollen aber lieber, als aktiv neuen Accounts zu folgen, Postings zu favorisieren oder diese auszublenden.
5️⃣ Warum dieser Schwenk für Personen und Marken ärgerlich ist:
Beim ersten größeren For-You-Vorstoß von Instagram im letzten Jahr gab es viel Empörung. Sogar Kim und Kylie machten mit. Den beiden ging es aber weniger darum, wieder mehr Fotos von Freunden zu sehen (dafür haben sie ja ihre TV-Show), sondern um den damit verbundenen Bedeutungsverlust ihrer Followerschaften, wenn der Social-Feed zum For-You-Feed wird. Denn: Mit neuen Postings erreichen sie nicht meh direkt ihre Community, sondern die Inhalte müssen sich jedes Mal neu beweisen. Auf dass die For-You-Algos sie mit voraussichtlich interessierten Usern zusammenbringen. Die jahrelang aufgebauten Followerschaften verlieren ihren Wert.1
6️⃣ Was das für Social-Media-Strategien bedeutet:
TikTok selbst sieht sich nicht als soziales Netzwerk. Und mit einem bedeutungslosen Social-Graph begraben Instagram und Facebook auch ihren Social-Kern. Für Medienschaffende und Creator bedeutet das: Das Social-Media-System neu denken. Postings sind dann nicht für den Aufbau einer Audience oder das Binden einer Community, sondern sie sind Erstkontakte. Aufmerksammacher. Communities werden dann nicht mehr auf der Plattform aufgebaut, weil die Follower nicht wie gewohnt erreicht werden. Newsletter, Podcasts und Messenger-Kanäle geraten so in den Mittelpunkt einer guten Audience-Strategie und verdrängen die klassischen Netzwerke – die werden zu Kontaktvermittlern.
7️⃣ Weiter gehts: Als nächstes müssten wir uns mal anschauen, was das For-You-Prinzup für Inhalte bedeutet: Hat die lokale Verkehrsinfrastruktur überhaupt noch eine Chance gegen das virale Meme von einem süßen Koala aus Australien? Heißt es mehr Mainstream statt Nische, um Erfolg zu haben? Oder gibt es sogar neue Chancen für Inhalte? Ich bleibe bloggend dran.
Dieses Blogposting habe ich noch einmal im Format des Newsletter-Konzepts „Was mit Medien Minute“ geschrieben, um einmal eine monothematiche Ausgabe („Was mit Medienminute zum Bedeutungsverlust der Followerschaften“) zu testen. Vor ein paar Tagen hatte ich einen ersten Test mit mehreren Themen („Was mit Medien Minute zur Tagesschau„) veröffentlicht .
Social Media Frühjahrsputz
Bluesky liefert neue Funktionen im Wochentakt. Threads fasziniert viele, aber wie der Twitter-Konkurrent wirklich tickt, erschließt sich alles andere als direkt. Durch Threads künftigem Anschluss an das Fediversum bekommen Mastodon und seine Geschwister-Dienste mehr Aufmerksamkeit und werden wahrscheinlich beim Mainstream-Publikum ihren Durchbruch schaffen.
Dieses Jahr steht im Zeichen dezentraler Sozialer Netzwerke. Was bedeutet das für Medienschaffende und Medien? Welche Änderungen an der eigenen Social-Media-Strategie sind nötig? Für euren Social-Frühjahrsputz biete ich drei Webinare in Kooperation mit der FM Online Factory an.
- Donnerstag, 18. April (13 Uhr): Threads — wie Instagrams Alternative zu Twitter wirklich funktioniert
- Donnerstag, 02. Mai (13 Uhr): Mastodon, Bluesky, Threads — was sind dezentrale Soziale Netzwerke und warum werden sie für Medienschaffende so wichtig
- Donnerstag, 16. Mai (13 Uhr): Kleine Algorithmenkunde — bei Instagram, Twitter & LinkedIn besser zu Recht kommen
Alle Infos und Tickets gibt es in meinem neuen Online-Kiosk hier im Blog. Ein Webinar-Ticket kostet 99 Euro, das Trio gibt es zusammen für 210 Euro.
Amy Webbs Trends 2024
Amy Webb hat vorgestern ihren jährlichen Trend Report auf der SXSW vorgestellt. Den gibt es in dieser Dropbox. Was ich mitnehme:
Nach Silicon-Based-Computing kommt Bio-Computing, dabei werden biologisch abgeleitete Moleküle (DNA, Proteine …) für digitale oder reale Berechnungen genutzt.
Sie bezeichnet die VisionPro auch als Gesichtscomputer. In einem Zukunftsszenario berechnen Supermärkte Preise individuell in Echtzeit, damit die Kunden das für sie maximale ausgeben. Man erkennt arme und reiche Menschen im Supermarkt an einem Gesichtscomputer. Wer sich erst Werbespots anschauen muss, um einen Rabatt für ein Produkt anzusehen, kann sich nicht so frei bewegen wie reiche Personen, die ihre Zeit ganz frei verwenden können.
Was mit Medien Minute für die Tagesschau
Ich teste gerade verschiedene Newsletter-Formate. Es können / müssen / sollen ja nicht immer diese Long-Reads sein. Hier ein Test des „Minuten“-Konzepts. Der Newsletter besteht aus sechs Gedanken, die sich jeweils in 10 Sekunden erschließen lassen. Je nach Themenlage kann man einen monothematischen Newsletter, einen gemischten oder sogar mit 6 unterschiedlichen Themen verschicken. So können Themen auch unterschiedlich gewichtet werden. Das hätte auch Potential für mehr als eine Ausgabe die Woche. Vielleicht einen zum Wochenstart am Montagmorgen, Mittwochmittag zur Mitte der Woche und Freitagnachmittag zum Checkout ins Wochenende. Hier wie die heutige Ausgabe aussehen würde:
Aus der Oscar-Nacht bleibt das Bild eines nackten Mannes. Mehr reden über das Photoshop-Foto von Kate Middelton. Was mit Medien schaut auf ein Rezept, das Medien Glaubwürdigkeit verleiht: Einfache Sprache.
📺 Ein Update für die Tagesschau
1️⃣ In einem sehr lesenswerten Interview mit DWDL.de erklärt Marcus Bornheim (erster Chefredakteur ARD-Aktuell), wie die Tagesschau sich verändert, um auf die geänderte Mediennutzung zu reagieren. Ziel ist es: Die Zuschauer*innen sollen künftig auf eine Tagesschau auf Augenhöhe treffen. Dazu gehört ein erweitertes Themenspektrum – wie etwa ein neues Album der Rolling Stones oder eine neuer Asterix & Obelix Comic-Ausgabe.
2️⃣ Der nächste Punkt ist Sprache auf Augenhöhe. Die 20-Uhr-Tagesschau wird künftig zwar nicht moderativ, dafür aber sprechsprachlicher werden. Die Nachrichten sollen so berichtet werden, wie die Zuschauenden diese auch beim Abendessen oder den Nachbarn erzählen würden.
3️⃣ Das aktuelle Studio ist schon zehn Jahre und die Beamer für die Projektionen werden bald nicht mehr hergestellt. Eine Projektgruppe arbeitet an einem Studio, in das die Tagesschau 2026 umziehen kann. Sie soll dann auch optisch auf Augenhöhe stattfinden. Ob der Tisch entfällt? Auf Tageschau-Zuschauende wirkt das Setting wie eine Predigt von der Kanzel.
👓 “Ich bin total dagegen, eine Revolution zu starten” bei DWDL.de
🤓 Bessere Texte, dank Fake News
4️⃣ Um einfache Sprache geht es auch in der heutigen Ausgabe von Anne-Kathrin Gerstlauers Newsletter TextHacks. Fake News erreichen viel mehr Menschen mit ihrer einfachen Sprache. Auch die, die sich von einer akademischen Sprache ausgeschlossen fühlen.
5️⃣ Interessante Studie: Eine Analyse der Sprache kann zu 92% erkennen, ob es sich um Fake News handelt. Eine andere Studie sieht einen kleinen Effekt, dass Menschen Medien mit einer einfache Sprache glaubwürdiger einstufen.
👓 “Was wir von Fake-News-Sprache lernen können” in TextHacks.
👂 Schreiben fürs Hören – auch für Podcaster
6️⃣ Beim Radio ist einfache Sprache übrigens schon seit Jahrzehnten fest verankert. Wir nennen es Schreiben fürs Hören. Kurze Sätze, aktiv formuliert, nur einen Gedanken pro Satz. In der heutigen Ausgabe des Newsletters “The Weekly Tweak” gibt es Tipps für bessere Podcast-Skripte.
👓 “Tweak #9: Write your script so you can read it” in The Weakly Tweak.
Wie findet ihr das Format?
Threads, die Zukunft von Social-Media ist dezentral und ein Popup-Newsletter
Seit einer Woche ist Threads auch bei uns in der EU verfügbar. Die einen lieben es, weil es sich wie das gute alte Twitter anfühlt. Die anderen halten Distanz, weil es eben wie das gute alte Twitter wahrgenommen wird. #textundso #wassollichda
Wie hältst du es mit Threads?
Was ich gelernt nach einer Woche Threads gelernt habe: Auch wenn die neue Meta-App als Twitter-Alternative auftritt, will Threads nicht die gesellschaftliche Rolle vom guten alten Twitter einnehmen.
Jesse Chen, Entwickler von Threads formuliert die Vision so: “Meine größte Hoffnung für Threads ist, dass es zum Zeitgeist des Internets wird. Es wird der Ort sein, an den wir gehen, wenn wir positive Gespräche über die neuesten kulturellen Ereignisse führen möchten. Es wird der Ort sein, an den wir gehen, um die neuesten Gespräche zwischen Creator oder zwischen anderen Personen, die uns interessieren, zu verfolgen.”
Mit dieser Vision im Blick, tickt Threads auch anders als Twitter:
- Es hat alle Funktionen, die man an eine text-basierte Austausch-App hat. Tatsächlich, der Ton ist mehr casual.
- Ist aber auch so angelegt, dass User ihre Inhalte über verschiedene Plattformen teilen können. Threads ist kein weiteres Silo, wie Facebook oder Instagram. Es erhält einen Anschluss an das Fediverse (Mastodon, WordPress, künftig auch Flipboard) – die Zeit der dezentralisierten sozialen Netzwerke ist angebrochen.
Es gibt viel zu entdecken. Ich habe deswegen einen neuen Pop-up Newsletter gestartet, um diese Entwicklung zu begleiten: “Style & Stitches” dreht sich um Threads und die dezentralisierte Social Media Welt. Hier ist die frische Ausgabe:
Mit dem EU-Start gibt es viel zu besprechen, deswegen gibt es gerade häufiger eine Ausgabe. Künftig wird es immer donnerstags eine Ausgabe geben. Was ihr erwarten könnt:
- Wir begleiten den Aufstieg oder Fall von Threads
- Wie nutzen Unternehmen, Medien oder Creator die Plattform erfolgreich
- Welchen Einfluss hat das Fediverse auf unser Social-Media-Handwerk
- Social-Strickmuster mit Tipps, Tools und Anregungen für die eigene tägliche Arbeit
Neugierig? Dann begleitet mich auf dieser Reise und lasst euch die neuen Ausgaben von “Style & Stitches” direkt in eure Inbox schicken:
Die ersten 100 Subscriber bekommen eine persönliche Willkommens-Mail von mir. 50 sind schon dabei, gar nicht schlecht – bisher habe ich hauptsächlich über meinen Threads-Account beworben.
Ach, und falls ihr auf Threads seid, schaut doch mal bei @dfiene vorbei und sagt Hallo.
Sind Newsletter und Podcasts die besseren Social-Media?
Worum es geht: Es gibt sie schon länger, als so manche gängigen Distributionswege (hello Vinyl 🤓). Die Zeiten der Massenproduktion sind vorbei (hello Vinyl 🤓). In sind persönliche Ansätze, liebevoll kuratierte Formate und leidenschaftliche Zielgruppen (hello Vinyl 🤓). Sind Newsletter & Podcasts die besseren sozialen Netzwerke?
Der Hintergrund: In einer Diskussion* mit Herrn Pähler über einen „interaktiven“ Podcast von Funk, widersprach ich. es sei ein interaktives Format, wenn man lediglich via Instagram den Fortgang der folgenden Episode bestimmen kann.
Podcasts & Newsletter als Social Media? Was dafür spricht: Obwohl beide Formate ziemlich old school sind, schaffen sie das, was viele Medienschaffende von sozialen Netzwerken erhoffen: Aus Usern wird eine Audience oder sogar eine Community.
Was auch dafür spricht: In einem Workshop letztens noch gemappt — Instagram und good old Facebook haben aus Publisher Sicht mehr mit Newsletter & Podcasts gemeinsam, als TikTok.
Was dagegen spricht: Beide Formate sind so starr wie Medien aus der Massenzielgruppen-Zeit: Warum bestimmt der Publisher die Uhrzeit der neuen Ausgabe — und nicht die Nutzungsvorliebe der Leser*innen und Hörer*innen? Warum sind die technische Voraussetzungen so, dass bisher niemand bei Content-Formaten eine echte Personalisierung anbietet?
Gedanke für die neue Woche: Wie können wir Newsletter und Podcasts noch stärker social denken? Ich glaube: Der nächste Schritt wäre eine echte Personalisierung. Aber wie kann die aussehen — sowohl inhaltlich, als auch technisch? Darüber denke ich zum Start in die neue Woche nach, lasst uns doch dazu in den nächsten Tagen austauschen*
*Links
fiene & der 11. september 2001
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Nach 20 Jahren schreibe ich das erste Mal meine Erinnerungen an den 11. September 2001 auf. Es war auch für mich ein prägendes Erlebnis. Mit den Anschlägen in den USA wurden auch Ereignisse ausgelöst, die meinen Weg in die Medien betrafen. Aber das ist nicht die Geschichte, die ich heute erzählen möchte.
Vor 20 Jahren war ich am Heiligen Meer, was im Nachhinein nach einem ungewöhnlichen Ort im Kontext der Auseinandersetzung zwischen den USA und Al-Qaida klingt. Es war auch ein ungewöhnlicher Aufenthalt. Das Heilige Meer ist ein Naturschutzgebiet in der Nähe von Ibbenbüren im Tecklenburger Land, ganz im Norden von Nordrhein-Westfalen. Mit meinem Bio-Leistungskurs haben wir einen Ausflug in eine Naturschutzstation gemacht, um zu forschen. Es war für die Besucher*innen selbst im Vor-Smartphone-Zeitalter ein abgeschiedener Ort: Kein Fernseher, kein Radio, kein Internet-Computer — ich hatte eins der wenigen Handys dabei.
Es war ein Ort der Ruhe. In dem Alter schätzten meine Mitschüler*innen und ich das nicht wirklich. Im Nachhinein waren wir aber froh. Als die ersten Flugzeuge in die Gebäude des World Trade Centers krachten, befanden wir uns auf dem Großen Heiligen Meer, das ist der größte Binnensee in NRW. Auf kleinen Booten haben wir Wasserproben genommen, um Einzeller später im Labor zu untersuchen.
Zurück im Labor erreichten uns erste Anrufe und SMS. Unser Biolehrer, für sein Alter streng aber herzlich, kritisierte die Unruhe. Ich durchbrach die Unruhe und berichtete von den ungewöhnlichen Nachrichten, die uns erreichten. Ziemlich schnell merkten wir, dass dies eine Situation ist, in der wir uns noch nie befanden. Als junges Grundschulkind erinnere ich mich noch, wie in meiner Familie über Wochen die Wiedervereinigung Thema war. Ich erinnere mich auch noch genau, wie mein Vater später während des Golfkriegs jeden Morgen CNN einschaltete, um von den neusten Entwicklungen aus der Nacht zu erfahren. Die schwarz-grünen Nachtaufnahmen habe ich noch heute im Kopf. Aber dieses Ereignis am 11. September 2001 war anders: Es kam plötzlich und mit voller Wucht. Das erschütterte sogar die Ruhe im Heiligen Meer.
Ein Internet-Bekannter von einem eigenen Online-Radio (ja, das war damals eine Sache) hatte sein erstes Praktikum bei einem Radiosender. Er rief mich an, um mir per Telefon das Radioprogramm von Antenne Bayern durchzustellen. Die ganze Gruppe versammelte sich irgendwann um mein Handy, um die neusten Entwicklungen zu hören. Wie genau der Nachmittag weiterging, weiß ich nicht mehr. Unser Lehrer muss wohl mit der Schule telefoniert haben, wie wir jetzt verfahren sollten. Auf jeden Fall hatte er eine gute Idee: Am Abend machten wir einen Fußmarsch in die nächste Pizzeria, denn dort gab es einen Fernseher. Für eine begrenzte Zeit schauten wir zu und führten Gespräche, um die Bilder zu verarbeiten.
Der Weg zurück zur Naturschutzstation wurde zur Nachtwanderung. Während tags die Ruhe das Heilige Meer prägte, war es nachts die Dunkelheit. Mit den wenigen Handys leuchteten wir uns den Weg zurück. Was für ein Bild für das, was an dem Abend der Welt bekannt war. Und für das, was sich noch alles ereignen würde.
***
Berlin und New York habe ich erst kennengelernt, als die Städte sich neu erfunden haben. Wenige Jahre, nach den für sie prägendsten geschichtlichen Ereignissen. Nach der Wiedervereinigung, nach dem 11. September. In beiden Fällen habe ich erst dann die emotionale Tragweite verstanden. Als ich 2005 und 2006 Menschen kennenlernte, die ich sehr schätze, berichteten sie in ruhigen Momenten mit Tränen in den Augen von ihrem 11. September. Wie sie auf der anderen Seite der Brooklyn Bridge standen und die aus Manhattan rausströmenden Menschen versorgten. Wie eine Besuchergruppe an jenem Morgen eine Tour durch das WTC verpasste, weil sich einige Teilnehmer verspäteten. Wie die Lücke in der Skyline sie jeden Tag an diesen Tag zurück erinnert.
Als Jahre später die neuen Türme am World Trade Center eröffnet wurden, hatte ich das Gefühl, nur im Ansatz zu ahnen, welche Bedeutung die neuen Bauten für viele New Yorker haben. Die beiden Memorial-Brunnen am Ground Zero besuche ich seitdem sehr gerne. Ich empfinde ihn als einen geschmackvollen Ort. Mitten in dieser hektischen Stadt ist dies ein Ort der Ruhe. Ich muss dann auch immer an das Heilige Meer zurückdenken.
***
Monate später, zum Abi, sagte mein Biologie-Lehrer: „Daniel, ich werde nie vergessen, dass ich von dir zum ersten Mal von diesem Ereignis gehört habe.“ — Ein Satz, den ich seit dem in meinem Job noch öfter gehört habe. Aber das ahnte ich da noch nicht.
5 Learnings zum Stand der Blogosphäre im Jahr 2021
Es ist mittlerweile eine schöne Tradition: Franziska Bluhm, Thomas Knüwer und ich organisieren einmal im Jahr die Goldenen Blogger. In diesem Jahr werden wir dabei noch intensiver von Frau Feli unterstützt. Die Nominierungsliste ist raus, am 26. April steigt die (in diesem Jahr virtuelle) Preisverleihung. Zum mittlerweile vierzehnten Mal.
Zugegeben: Es gibt im Vorfeld mehr als einmal den Punkt, an dem ich mich frage, warum wir die ganze Arbeit auf uns nehmen. Wenn aber am Ende Personen mehr Aufmerksamkeit bekommen, die über Monate viel Engagement und Leidenschaft in ihre Blogs und Social-Kanäle stecken, dann ist es all die Mühe wert. Schließlich beschäftigt sich die Öffentlichkeit den Rest des Jahres viel mit den negativen Seiten des Netzes. Warum nicht die fördern, die etwas gutes tun?
Wir haben für die Vorauswahl mehr als 2000 Projekte gesichtet. Das gibt uns einen guten Überblick über die Entwicklung der Social-Media-Welt. Vom klassischen Blog, über faszinierende Podcasts bis hin zu funkelnden TikTok-Accounts.
Heute möchte ich mit euch meine fünf Beobachtungen aus diesem Jahr teilen:
1.) Blogs sind nicht tot
Blogs die man früher gerne gelesen hat sind verwaist, in den Timelines spielen sie weniger eine Rolle und alle scheinen entweder einen Podcast oder einen Newsletter zu starten. Diesen Eindruck teilst du vielleicht auch. Vor der Sichtung war ich sogar skeptisch, ob die Blogosphäre noch genügend Projekte für eine ordentliche Nominierungsliste liefert. Ich lag falsch. Außerhalb der eigenen Filterblase gibt es eine vibrierende Bloglandschaft – auch wenn sie nicht so gut vernetzt ist.
Selbst Jeff Jarvis erkannte vor ein paar Tagen an, dass die Deutschen dem Bloggen sehr loyal gegenüber stehen — obwohl sie sich in den Anfangsjahren mit dieser Darstellungsform schwer taten. Er twitterte:
Used to be it was said that Germans didn’t take to blogging. But they are more loyal to blogging than anywhere else. Hell, they give bloggers prizes.
Jeff Jarvis.
Was ich beobachtet habe: Es werden nicht mehr Blogs gestartet, nur um ein Blog zu haben (hallo Newsletter, hallo Podcasts) – sondern wenn die Form zum Inhalt passt. Da möchte ich das noch relativ junge Blog Bruchstücke nennen. Eine Gruppe —mit in der Blogwelt nicht ganz unbekannten Namen— hat zu Beginn der Corona-Pandemie begonnen, ein Blog für konstruktive Radikalität zu starten. Schon nach wenigen Monaten wird deutlich, dass gute Blogs sich nicht nur über ihre Einzelbeiträge, sondern auch in der Zusammenstellung zu einem bestimmten Thema funktionieren. Das ZDF hat angekündigt, ein Blog für konstruktiven Journalismus zu starten. Diese Journalismus-Form ist komplex und in klassischen Fernsehnachrichten kaum abbildbar. Deswegen ist die Wahl eines Blogs nur logisch.
2.) Blogs werden wieder wichtiger
Wenn ich alle meine Beobachtungen weiterdenke, gehe ich davon aus, dass wir in den kommenden Monaten wieder mehr interessante Blogs sehen werden. Klar, Instagram, TikTok, Podcasts sind der Hype der Stunde. Auf den Plattformen beobachten wir einen wachsenden Kampf um Creators. Aber auch Newsletter spielen hier eine wichtigere Rolle. Viele Inhalte-Ersteller*innen setzen (wieder) auf Newsletter um ihre Zielgruppe direkt erreichen zu können. Unabhängig von Algorithmen und ständigen Neu-Ausrichtungen der Plattformen.
Nicht wenige Newsletter-Autor*innen werden aber merken, dass E-Mails zwar eine direkte, aber gleichzeitig auch eine sehr geschlossen Darstellungsform sind. Da sie besonders gut funktionieren, wenn man nicht nur Inhalte verschickt, sondern die Zielgruppe als Community versteht und behandelt, werden sich Creators auch vermehrt wieder für Blogs entscheiden.
Nicht ohne Grund hat Facebook kürzlich für diese Zielgruppe angekündigt, nicht nur über Tools zum Erstellen von Newslettern nachzudenken, sondern auch zum Betreiben von eigenen Webseiten. Natürlich inklusive Monetarisierungs-Möglichkeiten.
3.) Corona-Pandemie sorgt für Agilität
Jedes Jahr versuchen wir bei den Goldenen Bloggern mit unser Kategorie-Auswahl auch den aktuellen Zeitgeist darzustellen. Vor der Sichtung war uns klar, dass die Corona-Pandemie nicht nur zu neuen Projekten führte, sondern dass es auch viele Projekte gibt, die helfen mit den Auswirkungen der Pandemie umzugehen. Bestehende Blogs, Podcasts und Youtube-Channels haben sich Aktionen überlegt — nicht nur mit konkreten Hilfen, sondern auch mit Angeboten, die der Nutzerschaft Eskapismus während der Isolation bieten/boten.
Deswegen war es gar nicht so einfach, sich nur für drei Projekte in der neuen Kategorie „beste Lockdown-Tröster*in“ zu entscheiden. Einige der Projekte haben auch in anderen Kategorien ihren Platz gefunden. Wir haben uns am Ende sogar entschieden, erstmals die Kategorie „beste Comedy“ einzuführen. Deswegen empfehle ich euch auch noch mal einen genaueren Blick auf unsere Nominierten-Liste.
4.) Wissenschaft, Kultur, Politik und Berufsbotschafter*innen fallen auf
Nachwievor stark war das Feld an Reise-, Food-, Selbsthilfe- und Selbstmarketing-Blogs. Da wir hier aber kaum Innovation oder Entwicklung sehen, haben wir uns gegen die Kategorien entschieden. Während Kultur-Projekte in den letzten Jahren kaum Neuigkeiten boten, hat der Shutdown zu vielversprechenden neuen digitalen Angeboten geführt. Leider war aber das Gesamtfeld im Kulturbereich im Gegensatz zu anderen Themenfeldern nicht stark genug, um eine eigene Kategorie einzuführen.
Wie erwartet interessant war in diesem Jahr das Feld der wissenschaftlichen Angebote. Das Angebot bedient eine durch Corona bedingte Nachfrage. Auch abseits von COVID-19 geht es unter den Nominierten beispielsweise um Weltraum oder Mathematik. Nachdem es in den letzten Jahren im Politik-Bereich kaum Entwicklungen gab, haben wir die Kategorie ruhen lassen. In diesem Jahr sind uns vermehrt neue(re) Angebote aufgefallen, die Politik für eine jüngere Zielgruppe anbieten. Deswegen gibt es eine Rückkehr der Kategorie „bestes Politik-Blog“.
Überrascht hat uns eine Beobachtung: Viele Creators berichten mit viel Engagement aus ihrem Joballtag. Dazu gehören auch viele Personen aus dem Medizin- und Pflegebereich. Das werdet ihr beim Blick auf die Gesamtliste und speziell bei unser neuen Kategorie „beste(r) Berufsbotschafter*in“ sehen.
5.) Journalist*innen erfassen noch immer nicht komplett die Motivation von Blog-Autor:innen
Journalist*innen haben auch im Jahr 2021 immer noch einen schweren Zugang zu Bloggern und Social-Media-Produzent*innen. Statt auf die Motivation der Creators zu schauen, leiten Medienschaffende ihre Erwartungen an die Personen aus der Darstellungsform ab. Schon 2005 oder 2006 erinnere ich mich an einer Debatte beim Jonet-Tag, bei der gefragt wurde, ob Blogs der neue Journalismus sind. Damals wie heute: Nein.
Jedes Jahr gibt es auf die Nominierten viel Echo. Viel Lob, aber auch immer etwas Kritik. Die schauen wir uns sehr genau an. Hinter „wie könnt ihr nur X, Y, Z nominieren – die/der arbeitet total unsauber“ steckt oft einfach eine unterschiedliche Meinung. Wenn aber selbst Journalisten diese Kritik äußern und nicht zwischen handwerklichen Fehlern und unterschiedlicher Haltung differenzieren (können), dann erschrickt mich das.
Auch bei einer anderen Gelegenheit habe ich gemerkt, dass es Kolleg*innen gibt, die an Blogger*innen die gleiche Erwartung haben, wie an die Arbeit von Journalist*innen. Eine Journalistin kritisierte vor ein paar Tagen bei einer Debatte, dass eine Plattform bei Personen die Inhalte erstellen, nicht nur an Journalist*innen denkt, sondern auch an Nicht-Journalist*innen. Schließlich sei es in Deutschland mittlerweile anerkannt, dass Bloggen auch Journalismus sei. Diese Sichtweise halte ich für zu eng. Mit dem Blick auf die 2000 gesichteten Projekte kann ich sagen: Auch wenn es viele Personen gibt, die neben vielen Unterhaltungsformaten ein Informationsangebot aufbauen, hat nur ein Teil ein journalistisches Selbstverständnis. Die Motivationen sind ganz unterschiedlich.
Ich frage mich: Warum sind wir da 2021 noch nicht weiter? Wenn in den kommenden Monaten der Kampf um Creator immer offensiver -auch von Seiten der Plattformen- geführt wird, birgt diese Beobachtung großes Konfliktpotential. Es bleibt also spannend. Am Ende ist dieser letzte Punkt aber nur eine kleine Randnotiz unter meinen Gesamteindrücken.
***
Doch zurück zu den Goldenen Bloggern: Wir sind mitten in den Vorbereitungen für die Preisverleihung. Wir können das virtuelle Studio der Deutschen Post in Bonn nutzen, sind also professionell wieder in guten Händen. Für die Nominierten und VIP-Zuschauer*innen gibt es eine Preisverleihungs-Box mit Dinner und Party-Goodies. Möglich machen das unsere Sponsoren Deutsche Post DHL, Facebook, Xing und Mumm & Co. Am Ende ist so ein Abend ganz schön teuer, und wir sind sehr dankbar, dass wir es auch (und gerade) in diesem Jahr hinbekommen.
Wenn ihr dabei sein möchtet, und vielleicht sogar auch eine VIP-Box bekommen möchtet, dann könnt ihr euch auf dieser Seite für eine Stream-Erinnerung anmelden oder auch an der Verlosung teilnehmen.
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15 Jahre Twitter
Unter meinen Twitter-Followern sind viele, wirklich sehr viele, Fans von Justin Bieber. Jetzt ist eine gute Gelegenheit, euch von dieser Geschichte zu erzählen.
Heute vor 15 Jahren hat Twitter-Gründer Jack Dorsey seinen ersten Tweet geschrieben. Jetzt könnten wir intensiv über Segen, Fluch und Einfluss auf die digitale Kommunikation oder sogar die Gesellschaft sprechen. Doch darüber können wir schon viel lesen. Am Ende ist Twitter nur so gut oder schlecht, wie die Gesellschaft, die den Dienst benutzt. Deswegen blogge ich heute lieber ein paar persönliche Gedanken.
Wenn ich in Social-Media-Workshops über Twitter spreche, merke ich, wie emotional ich an den Dienst gebunden bin. Es ist trotz all der Schattenseiten immer noch mein Lieblingsdienst. Vor ein paar Tagen hatte ich mein 14-jähriges Twitter-Jubiläum. Das geballte Treffen von Internet-Nerds auf der South-by-Southwest Interactive in Austin (Texas) hatte den Dienst damals schlagartig bekannt gemacht. If you make it there, you can make it everywhere. In den folgenden Jahren versuchten viele Start-ups in Austin den Erfolg zu wiederholen und platzierten rund um die SXSW ihre neusten Ideen. Redakteur*innen brieften ihre Reporter*innen, doch einen Bericht mitzubringen, was denn das neue Twitter werden würde. Solch einen Erfolg hat es aber nicht mehr gegeben. Mein erster Tweet lautete übrigens „Münster entrümpeln“. Es hat aber ein paar Monate gebraucht, bis ich nicht nur eine Verwendung, sondern auch eine Leidenschaft für Twitter entwickelte. Zugeben: Je länger man Twitter nutzt, desto schneller gerät die Faszination in Vergessenheit. Das ist bedauerlich. Darüber habe ich mir in den letzten Monaten viele Gedanken gemacht und auch eine Idee entwickelt. Doch zurück zu den Bieber-Fans.
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Mit Twitter verbindet mich auch einer meinen intensivsten Reportereinsätze. Im Dezember 2010 verunglückte Samuel Koch als Kandidat in „Wetten, dass…?“. Zum ersten Mal in der Geschichte musste die Livesendung abgebrochen werden. Ein Millionenpublikum fieberte mit: Wie geht es dem Kandidaten? Ich selbst war als Radioreporter hinter den Kulissen unterwegs. Antenne Düsseldorf war Partner der Stadtwette und so gab es einiges zu berichten. Ich erinnere mich noch genau an den Moment des Unfalls. An das Geräusch des Aufknalls. An die Totenstille, die folgte. Niemand wusste, wie es jetzt weitergehen sollte. Alle warteten auf Informationen, wie es dem Kandidaten ging.
Ich hatte auf meinem Smartphone meine Twitter-App installiert und mir die Tweets durchgelesen. Dort tummelten sich viele Fragen und Gerüchte. Das verstärkte sich, als das ZDF die Sendung abbrach. Erst später im Heute Journal gab es eine Information für die Zuschauer*innen. Die zum Teil falschen Informationen und Gerüchte störten mich extrem. Es schien immer schlimmer zu werden. Also habe ich angefangen aus der Halle zu twittern. Ich sollte an dem Abend sehr viel über die Macht von Twitter lernen – und über das Bedürfnis an Echtzeitinformationen der Nutzerschaft.
An dem Abend hätte auch Justin Bieber auftreten sollen. Als die Schlagzeile die Runde machte, dass eine TV-Sendung nach dem Unfall eines jungen Mannes abgebrochen werden musste, hyperventilierten die Bieber-Fans. War ihr Idol in Lebensgefahr? Ich habe versucht mit Fakten aus der Halle Ruhe in die aufgeregte Situation zu bringen. Andere Journalist*innen haben meine Tweets geteilt und darauf verwiesen, dass sie mich kennen und ich tatsächlich in der Halle sei. Innerhalb von kürzester Zeit hatte ich ein paar Hundert zusätzliche Follower*innen. Darunter auch viele junge Bieber-Fans, die dankbar für die Aufklärung waren. Kurz darauf meldeten sich viele andere Medien bei mir. Sie baten um Berichte für ihre Radiosendungen, ihre Zeitung oder ihr Online-Portal.
Was ich an dem Abend gelernt habe, hatte ich kurz darauf in einer ZDF-Videoserie berichtet, als es um einen Tweet und seine Geschichte ging:
Ich hatte ja vermutet, dass mir die Bieber-Fans auch wieder entfolgen. Doch wir blieben verbunden. Einigen folgte ich auch zurück. Es hat sich mir eine ganz andere Perspektive eröffnet, wie außerhalb der Journo-Bubble Twitter genutzt wird.
Am Ende hatte ich an dem Abend versucht die Lücke aufzufüllen, die das ZDF nicht bediente. Das will ich nicht als Vorwurf verstanden wissen. Bis dahin gab es nicht einmal ein Konzept für den Abbruch von „Wetten, dass..?“. Solch ein Ereignis schien undenkbar. Die Medien-Branche lernte aber, dass man die Kommunikation der Nutzerschaft nicht sich selbst überlassen kann.
Wenn ich heute Berichte über Samuel Koch lese, denke ich immer an diesen Unfall zurück und bin froh, dass er seinen Weg gefunden hat, mit den Auswirkungen umzugehen und dass er auch neue Träume anstrebte, wie die Schauspielerei.
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In den Anfangsjahren von Twitter waren Blogs als die Klowände des Internets verschrien. Twitter galt als die Küchenparty des Netzes. Niemand würde Twitter heute als Küchenparty bezeichnen. Nicht selten habe ich in den letzten Monaten aus dem Kollegenkreis gehört, sie würden Twitter privat gar nicht mehr gerne nutzen – immer die gleichen Stimmen, immer die gleichen Statements, kaum echte Debatten, viele wollen nur ihre Haltung durchdrücken. Im letzten Jahr hatte ich ein kleines Experiment durchgeführt und bin unglaublich vielen Personen zurückgefolgt. Ich wollte meine Filterblase erweitern. Doch statt Inspiration gab es mehr Frust in meiner Timeline. Das Experiment war gescheitert.
Jetzt denke ich: Ein bisschen mehr Küchenparty-Einstellung würde uns gut tun. Niemand hört auf einer Party gerne der Person zu, die nur von sich und immer nur das Gleiche erzählt. Richtig gut wird es dann, wenn die Gastgeber*innen unterschiedliche Leute einladen, sich über die Gästeliste Gedanken machen. So entstehen Gespräche zu unerwarteten Themen, die inspirieren und vielleicht auch sogar zu neuen Ideen oder Projekten führen. Ohne guten Gastgeber, gibt es keine gute Party.
Mein Twitter-Feed ist meine Party. Aber dann muss ich auch Gastgeber sein. Ich muss mir mehr Gedanken machen, wem ich folge und wem nicht. Ich sollte nicht nur selber senden, sondern auch empfangen. Vielleicht auch mal Leute verknüpfen und selbst Themen mit in den Raum stellen. Das habe ich in den vergangenen Wochen schon ausprobiert und kann sagen: So schlecht ist das doch alles gar nicht mit diesem Twitter. Vielleicht sollte ich auch mal wieder etwas Bieber-Content twittern.
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Wenn aus einem Podcast ein Start-up wird
In der aktuellen „Was mit Medien“ Podcast-Ausgabe konntet ihr es schon hören, hier möchte ich euch aber auch kurz berichten:
Als wir mit „Was mit Medien“ im August unseren Radiosendeplatz verloren haben, waren wir uns unsicher, wie es mit dem Projekt weitergeht. Während unserer Zukunfts-Kampagne im September, haben nicht nur viele Hörer:innen angefangen uns zu unsterstützen, es haben sich auch diverse andere Projekte und Möglichkeiten ergeben, die Herrn Pähler, Dennis Horn und mir gezeigt haben: Ja, „Was mit Medien“ hat eine Zukunft! Aber wenn wir ganz ehrlich sind, können wir diese Pläne nicht konsequent umsetzen, wenn wir „Was mit Medien“ weiter als Nebenprojekt durchführen.
Wir gründen deswegen mit „Was mit Medien“ ein Medien-Start-up. Wir bauen ein Angebot für und rund um die Community der Medienwandel-Gestalter:innen auf.
Für mich persönlich ist das ein großer Schritt. Auch wenn es für mich bedeutet, dass ich nach genau einem Jahr meine unbefristete Festanstellung bei ThePioneer aufgebe. Mein Job hat mir großen Spaß gemacht: Die Betreuung und Formatentwicklung rund um das Tech Briefing, die Etablierung der „Female Founders Edition“, den Start des ersten Paid-Podcasts von einem deutschen Publisher, die Möglichkeit die Startphase von der Medien-Neugründung ThePioneer zu begleiten und die wundbare und professionelle Zusammenarbeit mit dem ganzen Team. Wie es genau (nicht ob) mit dem Tech Briefing weitergeht, das besprechen wir gerade noch. Stay tuned.
Aber am Ende kann ich mich nicht zweiteilen und zwei größere Jobs mit gleicher Kraft supporten. Deswegen habe ich mich für das eigene Projekt entschieden. Genug Gründergeist konnte ich in diesem Jahr ohne Zweifel tanken.
Ab 2021 stecke ich diese Energie in „Was mit Medien“. Als Medienwandel-Begleiter arbeiten wir dann an vielen Podcast-Episoden, Lern-Formaten, Meet-ups, Webinaren, Content-Produktion sowie Kooperationen und Beratungen für unsere Community und für verschiedene Medienhäuser.
Worüber wir uns sehr freuen: Wir sind auch Teil des neuen Fellowship-Batches beim Media Lab Bayern. So bekommen wir nicht nur eine Förderung, sondern auch viel Support und Schulung in Sachen Unternehmertum und Gründung.
Wenn ihr mich und uns auf diesem Weg unterstützen möchtet, bin ich euch sehr dankbar:
Wir haben unsere ersten Meet-ups und Webinare vorgestellt: Schaut doch einmal auf die Termine & Themen und meldet euch an.
Wenn ihr Ideen für gemeinsame Projekte habt, meldet euch gerne bei mir.
Und dann kann ich euch natürlich meinen persönlichen Newsletter und den „Was mit Medien“-Newsletter empfehlen.
2020 hat viel bewegt. Aber ich kann euch sagen: Ich freue mich schon sehr auf 2021. Lasst uns gemeinsam den Medienwandel meistern!
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